Friedrichshafen & Oberschwaben

Gehrenberg und sein Aussichtsturm: Wandern am Markdorfer Hausberg

149 Stufen über einem vergessenen Erdbeben. Ein Stahlturm mit tollem Alpenpanorama. Und Waldpfade, die so ruhig sind, dass man das Rascheln der eigenen Schritte hört.

Kommentare
Teilen
Facebook
Pocket
E-Mail
0
Kommentare
Facebook
Pocket
E-Mail
Zwischenablage

Während am Seeufer zwischen Meersburg, Friedrichshafen und Lindau viele Urlauber unterwegs sind, herrscht auf dem Gehrenberg und im Linzgau eine andere Atmosphäre. Hier ist es ruhiger, beschaulicher, ursprünglicher. Die Landschaft ist geprägt von Obstbau und Streuobstwiesen, von sanften eiszeitlichen Hügeln – sogenannten Drumlins – und kleinen Gewässern wie der Brunnisach, die am Südhang des Gehrenbergs entspringt.

Der Gehrenberg ist weitgehend bewaldet, und wer durch seine Wälder streift, merkt schnell: Hier oben ticken die Uhren anders. Man hört das Knacken der Zweige, das Rauschen der Blätter, manchmal das Klopfen eines Spechts. An manchen Stellen führt der Weg direkt an verlassenen Gehöften vorbei oder über Lichtungen, auf denen im Sommer die Gräser kniehoch stehen.

Der Turm mit dem Eiffelturm-Gen

Auf 704 Metern Höhe steht ein Stahlgerüst, das irgendwie deplatziert wirkt zwischen all dem Tannengrün. Die Konstruktion aus dem Jahr 1903 trägt offiziell den Namen „Großherzog-Friedrich-Warte", doch die meisten sagen einfach Gehrenbergturm. 30 Meter ragt er in die Höhe, seine leicht ausgestellten Füße und die abgerundete Verstrebung erinnern tatsächlich an den großen Bruder in Paris – wenn auch in bescheidenerer Ausführung. 149 Stufen führen nach oben, und zwar Metallstufen, durch die man durchsehen kann. Nichts für Leute mit Höhenangst, sagen manche Besucher.

Der Turm öffnet sich mit der Dämmerung und schließt automatisch bei Sonnenuntergang. Es gibt Geschichten von Gruppen, die es nicht rechtzeitig heruntergeschafft haben und dann eingesperrt waren. Deshalb ist es gut zu wissen: Die Störungsnummer lautet 0171-8618148, falls man mal Hilfe braucht. Ansonsten kostet der Eintritt nichts, was bei den Aussichten da oben fast schon großzügig wirkt.

Wo das Linzgau zu Füßen liegt

Von der Plattform aus zeigt sich bei klarem Wetter, warum Markdorf sich selbst „Balkon zum Bodensee" nennt. Der See liegt etwa zehn Kilometer südlich, und dahinter staffeln sich die Alpengipfel von Bayern über Österreich bis in die Schweiz. An manchen Tagen reicht die Sicht bis zum Zugspitzmassiv. Das Linzgau – diese sanft gewellte Moränenlandschaft zwischen See und Hinterland – breitet sich wie eine grüne Tischdecke aus, durchzogen von Obstplantagen und kleinen Weilern.

Auf dem Turm ist Platz für maximal 20 Personen gleichzeitig, was die Betreiber auch empfehlen einzuhalten. Unten am Fuß des Turms stehen eine kleine Holzhütte mit Bänken und eine in einen Baumstamm geschnitzte Wandersmannfigur. Circa 250 Meter entfernt befindet sich der Parkplatz, die Zufahrt ist asphaltiert, aber offiziell für Autos gesperrt.

Die Rutsche: Ein Erdbeben, das nicht zur Ruhe kommt

Nur wenige hundert Meter westlich vom Turm passiert man eine Stelle, die geologisch interessanter ist als die meisten Attraktionen am Bodenseeufer. Die „Rutsche" am Fuchsbühl – ein fast 30 Meter tiefer Abgrund, entstanden beim großen Erdbeben am 16. November 1911. Auf etwa 100 Meter Breite ist damals der Berg abgerutscht, und die Abrisskante ist bis heute sichtbar. Alte Wegspuren, die an der Kante enden, zeigen, dass der Erdrutsch noch nicht vollständig zur Ruhe gekommen ist und sich immer weiter in die Wiese hineinfrisst.

Ein Pfad läuft etwa zwei Meter neben der ungesicherten Abbruchkante entlang. Absolute Vorsicht ist hier angebracht, denn es geht ohne jede Absperrung senkrecht in die Tiefe. Der Blick auf das weit unten liegende Markdorf und den Bodensee ist allerdings spektakulär. Bei gutem Wetter soll die Abrissstelle sogar von Konstanz aus mit bloßem Auge erkennbar sein. Ein Warnschild steht zwar da, aber es ist kein Verbot – man kann sich der Kante nähern, sollte es jedoch mit Bedacht tun.

Premiumwandern auf dem GuckinsLand

Der Gehrenbergturm ist Höhepunkt des zertifizierten Premiumwanderwegs „GuckinsLand", einer etwa 17 Kilometer langen Rundwanderung, die rund fünf Stunden dauert. Start ist am Parkplatz Vogelsang in Möggenweiler, einem Stadtteil von Markdorf. Alternativ kann man auch vom Wanderparkplatz Schweppenen bei der Grillhütte starten, vom Parkplatz Hohreute, vom Parkplatz Gangenweiler oder vom Wirthshof in Steibensteg.

Der Weg führt zunächst an einem historischen Wasserspeicher aus den Jahren 1903/1904 vorbei, dann steil hinauf durch Wald auf Pfaden und Waldwegen. Nach dem Gehrenbergturm und der Rutsche gelangt man zum Linzgaublick mit einer großzügig dimensionierten Liegeschaukel – groß genug für die ganze Familie. Etwa einen Kilometer weiter liegt ein perfekt platzierter Rastplatz mit Sicht auf das Deggenhausertal. Die zweite Hälfte der Runde verläuft überwiegend durch Wald, über Lichtungen und eine Holzbrücke, gelegentlich direkt durch einsame Gehöfte. Immer wieder öffnen sich Ausblicke ins Hinterland und zu den Alpen.

Premiumwanderwege sind nach Kriterien des Deutschen Wanderinstituts zertifiziert – das bedeutet angenehme Wegbeläge, eine durchdachte Dramaturgie mit wechselnden Landschaftsbildern und gepflegten Rastplätzen. Die abwechslungsreichen Routen des GuckinsLand führen zum größten Teil auf Wald- und Feldwegen sowie naturbelassenen Pfaden. Festes Schuhwerk ist empfehlenswert, besonders nach Regentagen gibt es ein Steilstück, das rutschig werden kann.

Der Gehrenberg selbst: Ein Berg, der sich versteckt

Der Gehrenberg ist einer der höchsten Berge des Linzgaus, sein höchster Punkt liegt auf 751,9 Metern am Stadtbühl – allerdings mitten im Wald und ohne Aussicht. Der Turm steht nicht am Gipfel, sondern etwas unterhalb auf 704 Metern. Mit seiner Schartenhöhe von 245 Metern gilt der Gehrenberg als markanter Einzelberg, die Dominanz zum nächsthöheren Geländepunkt am Hang des Höchsten beträgt 7,4 Kilometer.

Etwa 300 Meter westlich des Aussichtsturms befindet sich die bereits erwähnte Rutsche. Etwas unterhalb der höchsten Stelle steht seit 2004 ein etwa 30 Meter hoher Funkturm. Im Mai 2023 wurde unterhalb des Aussichtsturms ein Denkmal zum geographischen Mittelpunkt des Bodenseekreises errichtet – 50 Jahre nach dessen Gründung.

Der Gehrenberg gehört zu mehreren Gemeinden: Am Fuße des Südhangs liegt Markdorf, andere Teile des Bergs gehören zu Bermatingen, Salem, Deggenhausertal und Oberteuringen. Interessanterweise steht der Gehrenbergturm auf dem Gemarkungsgebiet von Deggenhausertal, gehört aber der Stadt Markdorf.

Wanderwege und Verbindungen

Über den Gehrenberg verlaufen mehrere regionale und überregionale Wanderwege. Der Schwäbische-Alb-Oberschwaben-Weg (HW 7) kommt hier vorbei, ebenso der Jubiläumsweg Bodenseekreis – ein 111 Kilometer langer Wanderweg, der 1998 zum 25-jährigen Bestehen des Bodenseekreises ausgeschildert wurde. In sechs Etappen führt er durch das Hinterland von Kressbronn über Neukirch, Meckenbeuren, Markdorf, Heiligenberg und Owingen nach Überlingen.

Neben dem GuckinsLand gibt es zwei weitere zertifizierte Bodensee LandGänge: die „Bermatinger Waldwiesen" und die „Bergtour Höchsten". Alle drei sind als geschlossene Rundwanderwege konzipiert mit jeweils gemeinsamem Start- und Zielpunkt. Das Spektrum reicht von der leichten Halbtagestour bis zur teilweise schweren Ganztagestour. Vom Höchsten, mit knapp 838 Metern der höchste Berg zwischen den Hegauvulkanen und dem Allgäu, erstreckt sich bei klarer Sicht ein Alpenpanorama von fast 250 Kilometern Länge.

Markdorf: Die Perle des Linzgaus

Markdorf selbst ist eine Kleinstadt mit rund 14.000 Einwohnern, etwa sechs Kilometer vom Bodenseeufer entfernt. Die historische Altstadt mit Fachwerkhäusern, dem Bischofsschloss, dem Hexenturm und den beiden Stadttoren Obertor und Untertor lädt zu einem Bummel ein. Die Fürstbischöfe von Konstanz hinterließen ihre Spuren, sie residierten zeitweise im Bischofsschloss, das erstmalig um 1300 erwähnt wurde.

Die gotische Pfarrkirche St. Nikolaus stammt aus dem Jahr 1370 und besitzt eine bemerkenswerte Schutzmantelkapelle von 1660. Das Heilig-Geist-Spital mit der Spitalkirche St. Mauritius aus dem 15. Jahrhundert ist ein weiteres Kleinod. In den „Auen", dem ehemaligen Wohn- und Arbeitsviertel der Markdorfer Winzer und Bauern, spürt man noch den Charakter vergangener Zeiten.

Markdorf ist verkehrsgünstig gelegen und seit 1901 durch die Bodenseegürtelbahn ans Eisenbahnnetz angebunden. Die Linie RB31 von Radolfzell nach Friedrichshafen hält stündlich am Bahnhof. Mehrere Buslinien verbinden die Stadt mit Friedrichshafen, Konstanz, Ravensburg und den umliegenden Gemeinden. Wer mit dem Auto anreist, erreicht Markdorf über die B33.

Schreibe einen Kommentar
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.
 
Du 

Bisher keine Kommentare
Entdecke mehr:
Nach oben scrollen