Überlingen, Salem & Meersburg

Die Meersburg: Seit über tausend Jahren ununterbrochen bewohnt

Die Meersburg thront über dem Bodensee und wird seit über einem Jahrtausend durchgängig bewohnt. Keine Ruine, kein Museum, sondern ein lebendiges Denkmal mit knarrenden Dielen und echten Geschichten.

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Zwischenablage

Über dem Nordufer des Bodensees erhebt sich die Meersburg, und wer zum ersten Mal durch das massive Tor in den Innenhof tritt, merkt schnell: Das hier ist keine hübsch hergerichtete Kulisse. Die Burg riecht nach altem Holz und Stein, die Stufen sind ausgetreten, und in manchen Räumen fühlt sich die Luft schwer an vor lauter Vergangenheit. Seit mehr als tausend Jahren wird die Meersburg ununterbrochen bewohnt und genutzt. Das macht sie zur ältesten durchgängig bewohnten Burg Deutschlands.

Die genaue Gründungszeit bleibt im Dunkeln. Manche Quellen sprechen vom 7. Jahrhundert, andere datieren den Kernbau ins 10. oder 11. Jahrhundert. Sicher ist: Die Burg gehörte jahrhundertelang den Fürstbischöfen von Konstanz und diente als Residenz, Verwaltungssitz und Zufluchtsort. Nachdem die Bischöfe 1526 endgültig von Konstanz nach Meersburg umzogen, blieb die Anlage bis zur Säkularisation 1803 ihr Hauptsitz. Danach wechselten die Besitzer mehrfach, bis die Familie von Laßberg die Burg 1838 erwarb. Seither befindet sie sich in Privatbesitz.

Architektur zwischen Romanik und Barock

Die Meersburg ist kein einheitlicher Bau, sondern ein Flickwerk aus verschiedenen Epochen. Der älteste Teil, der sogenannte Dagobertsturm, stammt vermutlich aus dem frühen Mittelalter. Der Name geht auf die Legende zurück, König Dagobert I. habe die Burg im 7. Jahrhundert errichten lassen. Historisch belegt ist das nicht, aber der Turm bleibt das Herzstück der Anlage. Seine dicken Mauern und schmalen Fenster zeugen von einer Zeit, in der Verteidigung alles war.

Drum herum gruppieren sich Gebäude aus Gotik, Renaissance und Barock. Die Fürstbischöfe ließen immer wieder an- und umbauen, je nachdem, wie es gerade nötig war oder dem Geschmack entsprach. So entstand ein verschachteltes Ensemble aus Wohntrakten, Wirtschaftsgebäuden, Kapellen und Wehrgängen. Manche Räume wirken düster und spartanisch, andere überraschen mit kunstvollen Stuckdecken und Wandmalereien. Diese Mischung macht den Reiz aus.

Besonders eindrucksvoll ist die Burgküche mit ihrem offenen Feuer und den massiven Kochgeräten. Hier wurde über Jahrhunderte hinweg für die Burgbewohner gekocht. Der Rauch zog durch einen Kamin ab, doch die Rußspuren an den Wänden sind bis heute sichtbar. In der Waffenkammer hängen Rüstungen und Schwerter, und in den Wohnräumen stehen Möbel aus verschiedenen Jahrhunderten. Alles wirkt ein bisschen zusammengewürfelt, aber genau das ist authentisch.

Annette von Droste-Hülshoff und die Romantik

Wer an die Meersburg denkt, kommt an Annette von Droste-Hülshoff nicht vorbei. Die Dichterin lebte von 1841 bis zu ihrem Tod 1848 bei ihrer Schwester Jenny von Laßberg auf der Burg. Hier verbrachte sie ihre letzten Lebensjahre und schrieb einige ihrer wichtigsten Werke, darunter die Kriminalnovelle "Die Judenbuche".

Ihr Zimmer im Dagobertsturm ist bis heute erhalten und kann besichtigt werden. Es ist klein, die Decke niedrig, und durch das schmale Fenster blickt man hinaus auf den See. Im Sommer muss es hier unerträglich heiß gewesen sein, im Winter bitterkalt. Annette litt unter gesundheitlichen Problemen, und die Burgverhältnisse dürften nicht gerade geholfen haben. Trotzdem schrieb sie hier weiter, oft bis spät in die Nacht. Auf dem Schreibtisch liegen heute nachgebildete Manuskripte und Schreibutensilien. Die Atmosphäre ist bedrückend und faszinierend zugleich.

Spannend ist dabei, dass Annette die Meersburg selbst ambivalent sah. In Briefen schwärmte sie vom Blick über den See, klagte aber auch über die Enge und die feuchten Räume. Diese Zerrissenheit spiegelt sich in ihrer Lyrik wider, die oft zwischen Naturbegeisterung und melancholischer Innenschau pendelt.

Ein Rundgang durch die Räume

Die Meersburg ist für Besucher zugänglich, allerdings nur mit Führung oder im Rahmen eines selbstgeführten Rundgangs. Über 30 Räume können besichtigt werden, verteilt auf mehrere Stockwerke. Der Weg führt durch enge Wendeltreppen, über knarrende Holzböden und durch niedrige Türen. Für Leute mit Klaustrophobie ist das nichts, und auch wer nicht gut zu Fuß ist, kommt hier an seine Grenzen. Einen Aufzug gibt es nicht.

Los geht's meist im Erdgeschoss mit der Burgküche und dem Rittersaal. Letzterer diente als Versammlungsraum und ist mit Wandteppichen, alten Truhen und einem großen Kamin ausgestattet. Von hier aus geht es weiter in die Wohnräume der Fürstbischöfe. Die Zimmer sind mit Möbeln aus verschiedenen Epochen eingerichtet, darunter prächtige Himmelbetten, geschnitzte Schränke und Gemälde von längst vergessenen Adligen.

Ein Highlight ist die Burgkapelle, ein kleiner, aber feiner Raum mit barockem Altar und bunten Glasfenstern. Hier wurden über Jahrhunderte hinweg Gottesdienste abgehalten, Taufen und Hochzeiten gefeiert. Die Akustik ist bemerkenswert, ein leises Wispern trägt sich durch den ganzen Raum.

Weiter oben im Dagobertsturm wird es spartanischer. Die Räume sind kleiner, die Wände dicker, die Fenster schmaler. Hier oben befinden sich die Wohnräume von Annette von Droste-Hülshoff sowie eine Waffenkammer und verschiedene Ausstellungsräume zur Burggeschichte. Vom obersten Stockwerk aus hat man einen grandiosen Blick über Meersburg, den See und die Alpen. An klaren Tagen reicht die Sicht bis zum Säntis.

Praktische Infos für den Besuch

Die Meersburg liegt direkt im Städtchen Meersburg, nur wenige Gehminuten vom Hafen entfernt. Parkplätze gibt es in der Umgebung, allerdings sind sie im Sommer oft überfüllt. Besser kommst du mit dem Bus oder der Fähre von Konstanz aus. Von der Anlegestelle sind es nur ein paar Minuten zu Fuß bergauf.

Die Burg ist ganzjährig geöffnet, allerdings variieren die Öffnungszeiten je nach Saison. Im Sommer kannst du meist von 9 bis 18:30 Uhr durchlaufen, im Winter schließt die Burg früher. Der Eintrittspreis liegt bei rund 10 Euro für Erwachsene, ermäßigt etwas weniger. Kinder zahlen weniger, Familientickets sind verfügbar. Es lohnt sich, online vorab zu checken, ob Sonderveranstaltungen stattfinden.

Ein Audioguide ist im Eintrittspreis enthalten und auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch verfügbar. Er erklärt die wichtigsten Stationen und liefert Hintergrundinfos zur Geschichte. Wer lieber auf eigene Faust unterwegs ist, findet in jedem Raum Infotafeln mit den wichtigsten Fakten.

Rechne mit etwa eineinhalb bis zwei Stunden für den Rundgang. Fotografieren ist erlaubt, aber ohne Blitz und Stativ. In manchen Räumen herrscht Fotografierverbot, das ist aber ausgeschildert.

Was die Burg heute noch lebendig macht

Dass die Meersburg bis heute in Privatbesitz ist, hat Vor- und Nachteile. Einerseits fehlt das Geld für aufwendige Restaurierungen, andererseits bewahrt das den ursprünglichen Charakter. Die Burg wirkt nicht überpflegt oder steril, sondern authentisch und manchmal auch ein bisschen morbid. In manchen Ecken blättert der Putz, Holzbalken sind windschief, und die Luft riecht nach Vergangenheit.

Die Burgherren organisieren regelmäßig Veranstaltungen, darunter Konzerte, Lesungen und mittelalterliche Märkte. Besonders beliebt ist das Ritteressen im historischen Gewölbekeller, wo du bei Kerzenlicht und ohne Besteck speist. Klingt kitschig, macht aber Spaß, vor allem mit Kindern. Auch Trauungen sind in der Burgkapelle möglich, allerdings nur standesamtlich und nach vorheriger Anmeldung.

Im Sommer kann es auf der Burg sehr voll werden. Reisegruppen schieben sich durch die engen Gänge, und in manchen Räumen herrscht Gedränge. Wer Ruhe sucht, kommt besser im Herbst oder Winter. Dann liegt oft Nebel über dem See, die Burg wirkt noch mystischer, und du hast die Räume fast für dich allein.

Meersburg und Umgebung

Die Burg ist nicht alles, was Meersburg zu bieten hat. Das Städtchen selbst ist ein Schmuckstück mit verwinkelten Gassen, Fachwerkhäusern und kleinen Läden. Direkt gegenüber der alten Burg liegt das Neue Schloss, ein barocker Prachtbau, der ebenfalls von den Fürstbischöfen errichtet wurde. Heute beherbergt es ein Museum und kann besichtigt werden.

Am Hafen reihen sich Cafés und Restaurants aneinander, und im Sommer legen regelmäßig Ausflugsschiffe ab. Von hier aus kannst du Rundfahrten über den See unternehmen oder zur Blumeninsel Mainau übersetzen. Auch die Pfahlbauten in Unteruhldingen sind nicht weit und definitiv einen Abstecher wert.

Weinliebhaber kommen in Meersburg ebenfalls auf ihre Kosten. Die Region gehört zum Weinanbaugebiet Baden, und rund um die Stadt ziehen sich Rebhänge den Hang hinauf. Viele Winzer bieten Führungen und Verkostungen an. Der Müller-Thurgau und der Spätburgunder aus der Gegend sind hervorragend, wenn auch nicht gerade günstig.

Kritik und Kontroversen

Nicht alle sind begeistert von der Meersburg. Manche Besucher bemängeln den Zustand der Räume und die fehlenden modernen Sicherheitsstandards. Tatsächlich gibt es keine Absperrungen, keine Alarmanlage, und in manchen Bereichen könnte man theoretisch Ausstellungsstücke anfassen oder sogar mitnehmen. Das Vertrauen in die Besucher ist groß, aber nicht jeder hält sich daran.

Auch die Darstellung der Geschichte wird gelegentlich kritisiert. Manche Infotafeln sind veraltet, und die Rolle der Fürstbischöfe wird teilweise etwas unkritisch dargestellt. Wer sich tiefergehend informieren möchte, sollte zusätzlich zur Burgbesichtigung Fachliteratur heranziehen oder eine Stadtführung buchen.

Trotz dieser Kritikpunkte bleibt die Meersburg ein lohnendes Ziel. Sie bietet einen seltenen Einblick in die Geschichte einer Burg, die nie aufgehört hat zu existieren. Keine Rekonstruktion, keine Inszenierung, sondern echtes Leben über Jahrhunderte hinweg.

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