Überlingen, Salem & Meersburg

Kloster Salem: Wo Mönche und badische Markgrafen Geschichte schrieben

Ein Zisterzienserkloster, das zum Schloss wurde. Gotische Wucht trifft barocken Prunk. Und mittendrin: der berühmteste Honigschlecker der deutschen Kunstgeschichte.

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Zwischenablage

Wer nach Salem kommt, stolpert praktisch über Geschichte. 1134 stiftete ein gewisser Freiherr Guntram von Adelsreute rund 200 Hektar Land dem Zisterzienserorden – direkt an einem Ort namens Salemanswilare, mitten in der Talsenke der Linzer Aach. Die ersten Mönche zogen 1137 ein, drei Jahre später erhob man das Ganze zur Abtei. Kein schlechter Start.

Schon 1142 wurde Salem Reichsabtei, was bedeutete: Man stand nur noch dem Kaiser zu Diensten, sonst niemandem. Unter dem Schutz der Staufer und später der Habsburger entwickelte sich das Kloster zu einem regelrechten Wirtschaftsimperium. Die Zisterzienser, bekannt für ihre "ora et labora"-Philosophie, verstanden ihr Handwerk – im wahrsten Sinne. Sie bewirtschafteten Grangien, bauten Obst, Wein und Getreide an, betrieben Fischfang im Bodensee. Um 1300 gehörte Salem zu den größten und reichsten Klöstern weit und breit, mit Besitztümern in über 100 Kilometer Umkreis.

Der Dreißigjährige Krieg setzte dem Kloster heftig zu. 1697 dann der Schock: Ein überhitzter Ofen löste einen Brand aus, der fast die gesamte Anlage zerstörte. Nur das mittelalterliche Münster überlebte. Was folgte, war ein barocker Neuanfang im großen Stil – die prächtigen Gebäude, die heute zu sehen sind, stammen aus dieser Zeit.

Mit der Säkularisation 1802 war Schluss mit dem Klosterleben. Napoleon löste die geistlichen Territorien auf, und Salem ging an die Markgrafen von Baden. Die nutzen es seither als fürstlichen Wohnsitz. Seit 2009 gehört die Anlage den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, und jährlich kommen rund 120.000 Besucher, um sich das anzuschauen.

Das Münster – gotische Strenge trifft Alabaster-Eleganz

Von außen wirkt das Salemer Münster – zwischen 1285 und etwa 1420 erbaut – ziemlich nüchtern. Streng, fast abweisend, ganz wie es die Regeln des Zisterzienserordens vorschrieben. Drinnen aber erwartet dich ein Kontrast, der fast schon dramatisch ist: ein in Weiß und Gold getauchter Raum, durchzogen von Alabasterskulpturen und -altären, die im Licht förmlich leuchten.

Diese Innenausstattung stammt aus den 1770er Jahren. Abt Anselm II. Schwab war auf Paris-Reisen vom französischen Frühklassizismus derart hingerissen, dass er das Münster komplett neu ausstatten ließ. Johann Georg Dirr aus der berühmten Feuchtmayer-Werkstatt schuf daraufhin eines der bedeutendsten Altar- und Skulpturenensembles seiner Zeit in Süddeutschland – 27 Altäre, Standbilder, Puttengruppen, alles in hellem Alabaster aus dem Klettgau.

Besonders berühmt ist der kleine "Honigschlecker", ein Engel, der Honig von den Fingern leckt. Er steht symbolisch für den Heiligen Bernhard von Clairvaux, der wegen seiner Redegabe als "honigfließender Gelehrter" bekannt war. Auch die beiden Skelettfiguren sind beeindruckend – Mahnmale der Vergänglichkeit, die zwischen all dem Prunk durchaus ihre Wirkung entfalten.

Das Münster ist nach dem Ulmer und Freiburger Münster die drittgrößte gotische Kirche in Baden-Württemberg. Wenn du Glück hast, erwischst du eine der Orgelpräsentationen oder Münsterkonzerte – die Akustik hier ist schlichtweg großartig.

Der Marienaltar von Bernhard Strigel – ein Meisterwerk kehrt zurück

Im Klostermuseum wartet ein absoluter Kunstschatz: der Marienaltar von Bernhard Strigel aus dem Jahr 1507. Strigel, damals Hofmaler Kaiser Maximilians I., schuf diesen Altar für die Liebfrauenkapelle des Klosters – und wurde dafür fürstlich entlohnt: 150 Gulden plus fünf bis sechs Wagenladungen Wein, das entsprach etwa 10.000 Litern. Selbst für ein reiches Kloster war das kein Pappenstiel.

Der Altar zeigt sechs Szenen aus dem Marienleben. Das Besondere an der linken Tafel: Strigel malte hier die Geburt Christi als Nachtszene, wobei das Christuskind selbst die Lichtquelle bildet. Das gilt als eines der frühesten erhaltenen Nachtbilder der deutschen Malerei – kunstvoll und atmosphärisch dicht.

Auf der rechten Tafel sieht man die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Einer von ihnen trägt die Gesichtszüge Kaiser Maximilians I., herausgehoben durch goldene Brokatstoffgewänder und schwarzes Barett. Eine klare politische Botschaft: Salem war Reichsabtei und nur dem Kaiser unterstellt.

Nach dem Klosterbrand 1697 verlor sich die Spur des Altars. Erst in den 1990er Jahren konnten die Teile wieder zusammengeführt werden, und seit 2014 ist das Meisterwerk endlich wieder an seinem ursprünglichen Standort zu sehen.

Prälatur und Kaisersaal – fürstliches Wohnen auf klösterlichem Boden

Die Prälatur, einst Residenz der Äbte, ist heute ein Schmuckstück barocker Architektur. Der Kaisersaal im Obergeschoss ist dabei das Highlight: prächtig ausgemalt, mit Stuckarbeiten verziert, ein Raum, der Macht und Reichtum demonstrieren sollte – und das sehr erfolgreich.

Hier empfingen die Äbte hohe Gäste, hier wurde Politik gemacht. Die Bibliothek nebenan zeigt, dass man in Salem nicht nur auf weltliche Macht setzte, sondern auch Wissen sammelte und förderte. Heute beherbergt die Prälatur das Klostermuseum, das einen chronologischen Rundgang durch die Klostergeschichte bietet – vom Hochmittelalter bis zum Spätbarock.

Die Weinkultur – von Zisterziensern zu Markgrafen

Um 1500 besaß Salem rund 2.500 Hektar Rebfläche und produzierte mehr als 500.000 Liter Wein pro Jahr. Wein war für die Zisterzienser nicht nur liturgisch wichtig, sondern auch wirtschaftlich ein Standbein. Diese Tradition lebt heute im Weingut Markgraf von Baden weiter, das seit 1802 die umfangreichen Rebflächen des ehemaligen Klosters bewirtschaftet.

Das Weingut, geführt von den Prinzen Bernhard und Michael von Baden, ist Mitglied im VDP und produziert auf rund 110 Hektar Rebfläche am Bodensee Weine von hoher Qualität. Besonders bemerkenswert: Der Müller-Thurgau, den Salem als erstes Weingut in Deutschland bereits 1925 anbaute, wird hier Jahr für Jahr in exzellenter Qualität erzeugt. Auch die Spätburgunder aus dem Leopoldsberg haben sich einen Namen gemacht.

Im historischen Torkel, einer monumentalen Weinpresse aus dem 18. Jahrhundert, kannst du dir ein Bild davon machen, wie aufwendig die Weinherstellung damals war. Bei der Themenführung "Weingeschichte(n)" gibt es drei ausgewählte Weine zur Verkostung – garniert mit spannenden Anekdoten zur Salemer Weinkultur. Die Führung findet täglich um 11 Uhr statt und dauert etwa 75 Minuten.

Die weitläufige Anlage – Gärten, Wirtschaftsgebäude und mehr

Salem ist kein Museum, das man in einer Stunde abhakt. Die Anlage ist riesig, und es lohnt sich, Zeit mitzubringen. Zwischen den barocken Gebäuden erstrecken sich großzügige Park- und Gartenanlagen im barocken Stil, mit Labyrinthen im Hofgarten und gepflegten Rasenflächen.

Die Wirtschaftsgebäude aus dem 16. Jahrhundert zeugen davon, wie effizient die Zisterzienser wirtschafteten. Im Feuerwehrmuseum beim Sennhof gibt's eine einzigartige Sammlung historischer Spritzen und Geräte – ein Thema, das nach dem verheerenden Brand von 1697 in Salem besondere Bedeutung bekam.

Übrigens: Seit 1920 ist auf einem Teil des Klosterareals die renommierte Schule Schloss Salem untergebracht, die Prinz Max von Baden gemeinsam mit dem Reformpädagogen Kurt Hahn gründete. Die Schule ist nicht öffentlich zugänglich, prägt aber das Leben in Salem bis heute.

Praktische Hinweise – Was du wissen solltest

Die Hauptsaison von Ende März bis Anfang November ist die beste Reisezeit. Von Montag bis Samstag ist die Anlage von 9:30 bis 18 Uhr geöffnet, sonntags und an Feiertagen ab 10:30 Uhr. Letzter Einlass ist immer um 17:30 Uhr. Im Winter, zwischen Anfang November und Ende März, ist nur das Klostermuseum an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 16:30 Uhr geöffnet – sonntags gibt's dann eine Führung durch Betsaal, Kreuzgang und Münster.

Der Eintritt beinhaltet alle Museen und Ausstellungen sowie eine Kurzführung durch das Münster. Führungen werden in der Regel stündlich angeboten. Besonders empfehlenswert ist die Kinder- und Familienführung "Auf den Spuren der weißen Mönche", die jeden Sonntag um 15 Uhr stattfindet.

Mit dem Auto erreichst du Salem über die B 31, Ausfahrt Salem, dann weiter über die L 201. Direkt am Schloss gibt es kostenlose Besucherparkplätze – ein nicht zu unterschätzender Vorteil in dieser Gegend. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln nimmst du vom Bahnhof Salem die Buslinie 7397 Richtung Heiligenberg bis zur Haltestelle Stefansfeld Ortsmitte, dann sind's noch etwa 10 Minuten zu Fuß. In der Hauptsaison fährt zusätzlich der Erlebnisbus (Linie 7399) direkt zum Schloss.

Für Besucher mit eingeschränkter Mobilität: Die meisten Bereiche sind barrierefrei, allerdings nicht die Prälatur. Das Münster ist bedingt barrierefrei.

Veranstaltungen – Von Konzerten bis Weihnachtsmarkt

Salem ist längst nicht nur ein Museum, sondern auch ein lebendiger Veranstaltungsort. Die Schloss Salem Open Airs im Sommer ziehen jedes Jahr Tausende Besucher an. In den letzten Jahren traten hier schon Weltstars wie Sting, Simply Red, die Fantastischen Vier und Udo Jürgens auf. Die leicht abschüssige Lage des Schlossgeländes sorgt dafür, dass man von fast überall aus eine gute Sicht auf die Bühne hat.

Ende November lockt der Salemer Weihnachtsmarkt mit Glühweinduft und festlichen Ständen. Am letzten Novemberwochenende verwandelt sich die Klosteranlage in einen stimmungsvollen Adventsmarkt – Eintritt frei.

Der Prälatenweg – Wandern mit Aussicht

Wer noch nicht genug hat, kann von Salem aus auf dem Prälatenweg zur Wallfahrtskirche Birnau wandern. Dieser ehemalige Prozessionsweg, den die Mönche früher nutzten, ist heute ein beliebter Wander- und Radweg mit herrlichen Panoramablicken über den Bodensee. Die Birnau, ebenfalls ein barockes Juwel, liegt direkt am Seeufer und ist ein perfektes Ziel für einen Halbtagesausflug.

Alternativ führt eine schöne Route weiter nach Unteruhldingen zu den berühmten Pfahlbauten – drei kulturelle Highlights an einem Tag.

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