Überlingen, Salem & Meersburg

Meersburg: Steile Gassen und zwei Burgen, die über den Bodensee wachen

Zwei Schlösser, steile Gassen und eine Dichterin, die hier nicht mehr wegwollte. Meersburg ist Geschichte zum Anfassen.

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Zwischenablage

Vierzig Höhenmeter sind es von der Unterstadt bis zur Burg. Nicht die Welt, aber bergauf genug, dass man ins Schnaufen kommt – und das liegt nicht nur an der Steigung. Die Steigstraße, die Ober- und Unterstadt verbindet, ist so etwas wie das Herz von Meersburg. Fachwerkhäuser drängen sich aneinander, kleine Läden und Weinstuben säumen den Weg, und irgendwo zwischen den Kopfsteinpflastern und dem alten Bärenbrunnen verliert man das Gefühl für die Zeit.

Meersburg am Bodensee ist eine dieser Städte, die schon auf den ersten Blick funktionieren. Die Lage stimmt, die Kulisse auch, und dann sind da noch diese beiden Burgen, die von oben aufs Wasser schauen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Die Burg Meersburg – oder das "Alte Schloss", wie manche sagen – gilt als älteste durchgängig bewohnte Burg Deutschlands. Ob König Dagobert I. tatsächlich schon im Jahr 630 den Grundstein legte, darüber streiten sich die Gelehrten bis heute. Gesichert ist aber, dass der sogenannte Dagobertsturm, der Bergfried der Anlage, spätestens im 12. oder 13. Jahrhundert entstand.

Fürstbischöfe mit Weitblick

Im 16. Jahrhundert machten die Konstanzer Fürstbischöfe Meersburg zu ihrer Residenz. Die alte Burg war ihnen aber irgendwann zu eng, zu mittelalterlich, zu wenig repräsentativ. Also ließen sie ab 1710 das Neue Schloss bauen – eine barocke Residenz, die nichts dem Zufall überließ. Fürstbischof Johann Franz Schenk von Stauffenberg gab den Anstoß, doch zunächst fehlte das Geld für den großen Ausbau. Jahrelang diente der Rohbau nur als Kanzleigebäude.

Erst unter Kardinal Damian Hugo von Schönborn, der bereits in Bruchsal ein prächtiges Schloss hatte errichten lassen, wurde aus dem Neubau eine echte Residenz. Ab 1740 ließ er das Treppenhaus einbauen – nach Plänen von Balthasar Neumann, einem der bedeutendsten Barockarchitekten seiner Zeit. Das Ergebnis verschlägt einem noch heute den Atem: Statuen, Stuckarbeiten, ein monumentales Deckengemälde. Hier empfing der Fürstbischof seine Gäste – und je nachdem, wie wichtig sie waren, durften sie weiter oben oder weiter unten stehen bleiben.

Von 1750 bis 1803 war das Neue Schloss Residenz der Fürstbischöfe. Dann kam die Säkularisation, das Bistum Konstanz wurde aufgelöst, und das Schloss fiel an das Großherzogtum Baden. Es diente danach unter anderem als Kaserne, Gefängnis, Seemannsschule und Taubstummenanstalt. Heute beherbergt es ein Museum, das die Wohn- und Lebenskultur der Fürstbischöfe zeigt – mit Prunkräumen, einem Spiegelsaal und einem Naturalienkabinett, das schon im 18. Jahrhundert berühmt war.

Terrasse mit Aussicht und kleinem Teehaus

Was man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, ist die Gartenterrasse des Neuen Schlosses. Von hier aus hat man einen der schönsten Blicke über den Bodensee – auf die Unterstadt, den Fährverkehr, hinüber zur Schweizer Seite und bei gutem Wetter bis zu den Alpen. Der Garten wurde bereits 1712 angelegt, auf zwei Terrassen verteilt wegen der Hanglage. Oben gibt es Buchsbaumhecken und ein Café, unten steht ein kleines ovales Teehaus mit dem Sinnspruch "Omnia Tempus habent" – alles hat seine Zeit. Ob dort jemals Tee getrunken wurde, weiß man nicht so genau. Aber der Spruch passt.

Die Burg, die niemals fiel

Während das Neue Schloss barocke Eleganz ausstrahlt, verkörpert die Burg Meersburg pure Wehrhaftigkeit. Über 1000 Jahre Geschichte stecken in diesen Mauern, und das Erstaunliche ist: Die Burg wurde nie erobert. Während der sogenannten "Bischofsfehde" 1334 hielt sie 14 Wochen lang einer Belagerung stand – und das, obwohl zum ersten Mal auf deutschem Boden Feuergeschütze eingesetzt wurden. Auch im Dreißigjährigen Krieg 1647 setzten die Schweden zwar den Dachstuhl in Brand, einnehmen konnten sie die Burg aber nicht.

Heute kann man über 35 eingerichtete Räume besichtigen: die alte Burgküche, die Dürnitz (wo gespeist wurde), den Palas, die Brunnenstube, Kapellen, Wehrgänge, sogar den Stall. Im Dagobertsturm gibt's einen Renaissancesaal mit Schatzkammer. Das alles ohne aufgesetzte Museumsdidaktik – man läuft einfach durch und schaut sich um. Manches ist ein bisschen düster, das Holz knarzt hier und da, aber genau das macht den Charme aus.

Annette von Droste-Hülshoff und ihr Schwalbennest

1838 kaufte der Germanist und Schriftsteller Joseph von Laßberg die Burg – für 10.000 Gulden. Damit rettete er sie vor dem Verfall, denn Baden hatte bereits überlegt, das Gebäude abzureißen. Laßberg war mit Jenny von Droste-Hülshoff verheiratet, und durch diese Verbindung fand deren Schwester Annette von Droste-Hülshoff ihren Weg nach Meersburg.

Annette, geboren 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster, galt schon zu Lebzeiten als literarisches Talent. Doch als unverheiratete Adelige war sie stark in die Zwänge ihrer Familie eingebunden. In Meersburg, bei ihrer Schwester auf der Burg, konnte sie aufatmen. Ab 1841 hielt sie sich vorwiegend dort auf – bis zu ihrem Tod im Mai 1848. Hier entstanden viele ihrer bekanntesten Gedichte, darunter "Das Alte Schloss" und "Am Turme". Die Zeit mit ihrem jungen Freund Levin Schücking, der als Bibliothekar bei ihrem Schwager arbeitete, bezeichnete sie später als die glücklichste ihres Lebens.

1843 ersteigerte sich Annette das sogenannte Fürstenhäusle – ein schmuckes Häuschen oberhalb der Altstadt mit Weinberg und einem sagenhaften Blick über den See. Sie zahlte 400 Reichstaler dafür. An eine Freundin schrieb sie begeistert: "Jetzt muss ich Ihnen auch sagen, dass ich seit acht Tagen eine grandiose Grundbesitzerin bin." Das Fürstenhäusle war ihr "Schwalbennest", ihr Rückzugsort. Gesundheitlich war sie zu diesem Zeitpunkt bereits angeschlagen, und so konnte sie ihr kleines Reich kaum mehr richtig genießen. Am 24. Mai 1848 starb sie auf der Meersburg. Ihr Grab liegt auf dem Meersburger Friedhof.

Heute ist das Fürstenhäusle ein Museum, eingerichtet mit Möbeln und Gegenständen aus dem Besitz der Familie Droste-Hülshoff. Man sieht ihr Arbeitszimmer, das Paradezimmer im Erdgeschoss, den kleinen Weinberg mit Reben. Es ist still dort oben, friedlich, fast ein bisschen so, als würde die Droste gleich um die Ecke kommen. Jedes Jahr im Mai finden in Meersburg die Droste-Literaturtage statt – ein Festival, das seit der Nachkriegszeit an die Dichterin erinnert.

Wein, Wärme und Moränenboden

Meersburg ist Weinstadt. Das sieht man schon an den Rebhängen, die sich zwischen Ober- und Unterstadt ausbreiten. Urkundlich belegt wird hier seit 1210 Wein angebaut. Das Staatsweingut Meersburg, das in einem barocken Gebäude direkt neben dem Neuen Schloss residiert, ist die älteste Weinbaudomäne Deutschlands. Während der Säkularisation 1802/03 fiel der fürstbischöfliche Rebbesitz an das Großherzogtum Baden. 1919 erfolgte die Umbenennung in Staatsweingut, heute gehört es dem Land Baden-Württemberg.

Die Lagen rund um Meersburg profitieren vom Bodensee, der als natürlicher Wärmespeicher wirkt und das Klima mildert. Die Böden bestehen aus Moränenablagerungen auf Molasse-Untergrund – ein Erbe der letzten Eiszeit. Das Staatsweingut bewirtschaftet insgesamt 63 Hektar Rebfläche, davon 46 Hektar am Bodensee. Etwa 60 Prozent der Weinberge liegen in Steillagen, was die Arbeit aufwendig macht, aber auch besonders aromatische Weine hervorbringt.

Angebaut werden vor allem Weißburgunder, Chardonnay, Spätburgunder, Riesling und Müller-Thurgau. Bekannte Lagen sind der Meersburger Rieschen, der Meersburger Bengel oder die Chorherrnhalde, eine terrassierte Steillage direkt unterhalb der Domäne. Das Weingut arbeitet seit 2012 klimaneutral und ist mit dem Nachhaltigkeitssiegel FairChoice ausgezeichnet. Weinproben finden regelmäßig statt – entweder in der Vinothek oder in der Gutsschänke oberhalb der Rieschentreppe. Von dort aus hat man übrigens wieder diesen Blick: Bodensee, Berge, Weite.

Durch die Gassen schlendern

Meersburg ist keine große Stadt. Rund 6.000 Einwohner leben hier, und man hat das Zentrum in einer halben Stunde durchlaufen. Aber genau darum geht's ja eigentlich nicht. Meersburg ist ein Ort zum Schlendern, zum Stehenbleiben, zum Schauen. Die Winzergasse, die Kirchstraße, der Marktplatz mit dem Obertor aus dem 13. Jahrhundert – überall gibt es Ecken, die man fotografieren möchte. Fachwerk, Blumenkästen, Weinstuben.

Besonders schön ist der Weg entlang der Rieschentreppe – ein alternativer Aufstieg von der Unterstadt zur Oberstadt, vorbei am gleichnamigen Weinberg. Oder man nimmt den "Geheimweg", der im Schatten alter Bäume direkt am Gemäuer der Burg entlangführt. Unterwegs passiert man die Schlossmühle mit ihrem großen Mühlrad, das bis in die 1950er Jahre in Betrieb war.

Wer sich ein bisschen außerhalb der Altstadt bewegt, findet weitere ruhige Plätze. Das sogenannte "Känzele" zum Beispiel – ein Aussichtspunkt zwischen Staatsweingut und Droste-Hülshoff-Gymnasium mit Blick auf die Unterstadt. Oder der Himmelbergweg, ein Höhenweg parallel zum See, der an alten Villen vorbeiführt und grandiose Ausblicke bietet.

Praktisches und Kulinarisches

Meersburg liegt etwa vier Kilometer gegenüber von Konstanz, erreichbar mit der Autofähre in rund 15 Minuten. Das ist auch schon die beste Anreise-Option – per Schiff übers Wasser, mit Blick auf die Stadt, die immer größer wird, je näher man kommt. Alternativ fährt man über Friedrichshafen oder Überlingen entlang des Sees.

In der Unterstadt, direkt an der Seepromenade, reihen sich Restaurants, Eisdielen und Souvenirläden aneinander. Touristisch, ja, aber auch praktisch, wenn man nach dem Burgbesuch Hunger bekommt. Das "Fährhaus Meersburg" serviert Pizza und Pasta mit Seeblick, die "Meersburger Winzerstuben" bieten gutbürgerliche Küche mit regionalem Fisch und passender Weinbegleitung. Wer's etwas ungewöhnlicher mag, kehrt in der Mittelaltertaverne "Drachenfeuer" an der Steigstraße ein – urig, rustikal, nach alten Rezepten.

Für guten Kaffee und Frühstück ist der "POP Kaffeeladen" die richtige Adresse. Müsli, Bagels, täglich wechselnde Angebote, handgebrühter Kaffee. Alles ein bisschen hipster, aber gerade deshalb eine angenehme Abwechslung zur historischen Kulisse drumherum.

Das Burgcafé auf der Meersburg serviert hausgemachte Kuchen mit spektakulärem Blick über den See – perfekt nach dem Rundgang durch die Räume. Und wer nach all dem Wein, den Aussichten und der Geschichte noch entspannen möchte, geht in die Meersburg Therme. Bade- und Saunawelt mit Thermalwasser und Panoramablick. Auch das noch.

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