Friedrichshafen & Oberschwaben

Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen: Wo Technik auf Kunst trifft

Direkt am Bodensee wartet Deutschlands verrückteste Museums-Kombi: Luftschifffahrt trifft auf Kunst. Du steigst in die Hindenburg und stehst Minuten später vor Gemälden von Otto Dix.

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Zwischenablage

Das Zeppelin Museum sitzt da, wo es hingehört – im ehemaligen Hafenbahnhof von Friedrichshafen, keine zwei Minuten vom Bodensee. Der weiße Bau im Bauhaus-Stil von 1932 war ursprünglich Durchgangsstation für Reisende. Heute kommst du her, um zu bleiben. Mindestens zwei Stunden. Besser drei.

Mit über 1500 Exponaten auf 4000 Quadratmetern beherbergt das Museum die größte Sammlung zur Luftschifffahrt weltweit. Das klingt erstmal wie eine technische Ansage. Ist es auch – aber dann betrittst du die Ausstellungshalle und siehst das Ding: 33 Meter lang, begehbar, originalgetreu nachgebaut. Die Teilrekonstruktion der LZ 129 Hindenburg.

Durch die Hindenburg spazieren

Über ein Fallreep steigst du tatsächlich ein. Ins Promenadendeck, wo 1937 wohlhabende Passagiere durch die Fenster auf den Atlantik schauten, während unter ihnen Wellen waren und über ihnen nichts als Wasserstoff. Das Bauhaus-Design der Salons wirkt noch heute modern, fast kühl – aber die aufklappbaren Waschbecken in den Kabinen erinnern daran, dass jedes Gramm zählte. Sogar die Toiletten wurden extra leicht konstruiert.

Du läufst durch den Rauchsalon, der einzige Ort an Bord, wo Rauchen erlaubt war. Mit elektrischen Feuerzeugen, damit ja keine offene Flamme entstand. Die Ironie: Am 6. Mai 1937 in Lakehurst brauchte es keine Zigarette. Ein Funke genügte, und die Hindenburg ging in Flammen auf. 36 Menschen starben. Das größte erhaltene Wrackteil – der Ruderlagerarm – hängt hier im Museum. Ein stilles, verbogenes Mahnmal.

Mehr als nur Zeppeline

Die Ausstellung zieht sich weiter durch den Ostflügel. Hier wird's detailliert: Motorgondeln, Getriebe, Propeller – alles Originale. Manche Exponate sind so technisch, dass du froh bist um die Erklärungen. Eine originale Motorgondel vom LZ 127 Graf Zeppelin steht da, als wäre sie gerade ausgebaut worden. Dazu kommen Hunderte Modelle, Fotos, Filmaufnahmen. Auch Kitsch fehlt nicht: Zeppelin-Vasen, Medaillen, Blechspielzeug. Das Luftschiff war nicht nur Verkehrsmittel, sondern Kult.

Was das Museum nicht verschweigt: die dunklen Kapitel. Die Verflechtung des Zeppelin-Konzerns mit der NS-Kriegswirtschaft, der Einsatz von Zwangsarbeitern, die Bombardierung Friedrichshafens. Die Ausstellung beleuchtet das kritisch und ohne Beschönigung. Parallel dazu läuft die Konzerngeschichte bis heute weiter – aus dem Luftschiffbau entstanden Weltkonzerne wie ZF Friedrichshafen.

Kunst im Luftschiffmuseum? Genau

Jetzt wird's unerwartet. Das Zeppelin Museum folgt dem Konzept „Technik und Kunst" – und das meint es ernst. Im Obergeschoss und in weiteren Räumen hängt eine beachtliche Kunstsammlung. Fast 4000 Werke gehören dazu, vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Der Schwerpunkt liegt auf süddeutschen Meistern, vor allem auf Künstlern, die während des Dritten Reichs an den Bodensee flohen.

Allen voran Otto Dix. Mit über 450 Arbeiten – 21 Gemälden, 110 Zeichnungen, 275 Grafiken – besitzt das Museum eine der weltweit größten Dix-Sammlungen. Der Maler, 1933 als „entarteter Künstler" diffamiert, zog sich ans Ufer zurück. Die Idylle fand er zum Kotzen schön, wie er sagte. Aber er blieb und malte weiter. Seine Kriegszyklen sind brutal. Seine Bodensee-Landschaften wirken entrückt.

Neben Dix findest du Werke von Max Ackermann, Willi Baumeister, Erich Heckel und den fotografischen Nachlass von Andreas Feininger. Auch mittelalterliche Altäre und barocke Skulpturen gehören zur Sammlung. Der Bogen ist weit gespannt – und genau das macht das Museum interessant. Luftschiffe und Landschaften. Technik und Trauma.

Praktisches fürs Museum

Von Mai bis Oktober hat das Museum täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, in der Winterzeit von November bis April nur Dienstag bis Sonntag, dann von 10 bis 17 Uhr. Einlass ist jeweils bis 16.30 Uhr. Am ersten Weihnachtstag bleibt es geschlossen, an anderen Feiertagen meist offen.

Der Eintritt kostet 14,50 Euro für Erwachsene, ermäßigt 9,50 Euro. Kinder zwischen 6 und 16 Jahren zahlen 8 Euro, Familienkarten gibt es für 33 Euro. Ab 16 Uhr wird's günstiger: dann nur noch 9 Euro. Wer öfter kommt, holt sich die Jahreskarte für 40 Euro. Gruppen ab zehn Personen bekommen Rabatt.

Das Museum ist komplett barrierefrei. Mediaguides gibt es in neun Sprachen, auch in Gebärdensprache und Leichter Sprache – kostenlos für Gehörlose und Blinde. Taschen müssen in Schließfächer, Fotografieren ohne Blitz ist erlaubt.

Anreise und Drumherum

Das Museum liegt an der Seestraße 22, direkt neben dem Hafen und dem Bahnhof Friedrichshafen Hafen. Wer mit dem Katamaran von Konstanz kommt, steht nach 52 Minuten quasi vor der Tür. Auch die Fähre aus Romanshorn legt gleich nebenan an. Mit dem Auto findet man Parkplätze im Parkhaus Altstadt oder am Hinteren Hafen – beides nur zwei Minuten Fußweg.

Für Luftfahrt-Freaks lohnt sich das Kombiticket mit dem Dornier Museum, das 15 Minuten entfernt auf dem Flughafengelände liegt. Innerhalb von sieben Tagen kannst du beide besuchen. Und wer in der Bodensee-Region unterwegs ist, sollte auch das Schauhaus im Zeppelindorf anschauen – ein originales Arbeiterhaus von 1914, möbliert aus verschiedenen Epochen.

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