Zwischen Friedrichshafen und Langenargen liegt das Eriskircher Ried – ein 371 Hektar großes Naturschutzgebiet, das sich vom Bodenseeufer bis zu anderthalb Kilometer ins Hinterland zieht. Das klingt erst mal nach einem Streifen Sumpf, ist aber tatsächlich eine der artenreichsten Ecken am ganzen deutschen Bodensee. Über 300 Vogelarten wurden hier schon nachgewiesen, mehr als 50 davon brüten regelmäßig zwischen Schilf, Seggen und Flachwasser. Das Ried ist Teil des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 und gilt unter Ornithologen als echter Hotspot.
Was das Gebiet so wertvoll macht? Die Mischung. Hier wachsen Schilfröhrichte direkt neben Streuwiesen, dazwischen liegen flache Tümpel und Gräben, die im Frühling volllaufen und im Sommer langsam austrocknen. Diese Vielfalt an Lebensräumen zieht entsprechend viele Arten an – von der Rohrdommel über den Drosselrohrsänger bis zur Bekassine. Im Herbst und Frühjahr rasten Tausende Zugvögel hier, bevor sie weiterziehen.
Geschichte: Vom Sumpf zum Schutzgebiet
Früher war das Eriskircher Ried deutlich größer. Wie fast überall am Bodensee wurde auch hier im 19. und 20. Jahrhundert massiv trockengelegt, um Ackerland zu gewinnen. Die Feuchtflächen schrumpften, Entwässerungsgräben durchzogen das Gebiet. Erst in den 1930er-Jahren begann man, den verbliebenen Rest unter Schutz zu stellen – zunächst aus jagdlichen Interessen, später aus naturschutzfachlichen Gründen. Seit 1982 ist das Eriskircher Ried offiziell Naturschutzgebiet, seit den 1990er-Jahren wurden Teile renaturiert, Gräben verschlossen, der Wasserstand angehoben.
Heute bemüht sich der Naturschutzbund NABU gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde darum, das Gebiet zu pflegen. Das heißt konkret: Schilf mähen, Gehölze zurückschneiden, Wasserstände regulieren. Klingt nach Arbeit – und das ist es auch. Aber ohne Eingriffe würde das Ried verbuschen, das offene Schilf würde verschwinden, und mit ihm viele der seltenen Vogelarten.
Der Rundweg: Holzstege durchs Schilf
Der bekannteste Zugang ins Eriskircher Ried führt über einen knapp drei Kilometer langen Rundweg, der vom Parkplatz an der Landesstraße zwischen Eriskirch und Friedrichshafen startet. Der Weg ist zum größten Teil als Holzsteg angelegt – rutschfest, breit genug für Kinderwagen, und fast durchgängig barrierefrei. An mehreren Stellen stehen Informationstafeln, die über die Tier- und Pflanzenwelt aufklären. Wer mag, kann sich am Parkplatz auch einen Audioguide herunterladen.
Der Rundweg führt zunächst durch eine offene Streuwiese, dann taucht man ins Schilf ein. Hier wird's schnell leise – nur das Rascheln der Halme im Wind, ab und zu ein Rohrsänger, der irgendwo unsichtbar im Dickicht singt. Die Stege führen über flache Wasserflächen, an denen im Frühsommer oft Libellen patrouillieren. Zwischendurch öffnet sich der Blick auf den See, dahinter die Alpenkette – bei klarer Sicht reicht der Blick vom Säntis bis zu den Allgäuer Bergen.
Am südlichen Ende des Rundwegs liegt eine kleine Aussichtsplattform direkt am Seeufer. Von hier aus schaut man über den offenen Bodensee Richtung Schweizer Ufer. Im Herbst sammeln sich hier oft Hunderte Enten und Tauchvögel. Der Rückweg führt dann wieder durchs Ried, vorbei an weiteren Beobachtungsständen, von denen aus man mit etwas Geduld auch größere Vögel wie Graureiher oder Silberreiher sehen kann.
Vogelbeobachtung: Wann lohnt sich der Besuch?
Wer gezielt Vögel beobachten will, sollte früh aufstehen. Die meisten Arten sind in den Morgenstunden aktiv, später wird's ruhiger. Besonders interessant ist das Frühjahr, wenn die Brutzeit beginnt. Dann hört man den charakteristischen Gesang der Rohrsänger, mit Glück auch das tiefe Brummen der Rohrdommel – ein Ton, der im Schilf fast schon unheimlich klingt. Im Mai und Juni balzen die Bekassinen mit ihren charakteristischen Sturzflügen über den Wiesen.
Im Herbst, etwa ab September, wird das Ried zur Drehscheibe des Vogelzugs. Dann rasten Wat- und Wasservögel auf dem Weg nach Süden: Kiebitze, Kampfläufer, verschiedene Entenarten. Wer ein Fernglas dabei hat, kann Stunden damit verbringen, die Vögel auf den Schlickflächen zu beobachten. Auch im Winter lohnt sich ein Besuch – dann sammeln sich oft große Trupps von Tafelenten, Reiherenten und Blässhühnern auf dem offenen Wasser.
Praktische Hinweise
Der Parkplatz am Eriskircher Ried liegt direkt an der L205 zwischen Eriskirch und Friedrichshafen, etwa auf halber Strecke. Er ist kostenlos, aber an Wochenenden schnell voll. Alternativ kann man auch vom Bahnhof Eriskirch aus starten – von dort sind es etwa 20 Minuten zu Fuß bis zum Riedeingang.
Der Rundweg ist ganzjährig begehbar, bei nassem Wetter können einzelne Abschnitte aber glatt werden. Festes Schuhwerk schadet nicht, auch wenn die Stege gut ausgebaut sind. Hunde sind im Naturschutzgebiet nicht erlaubt – das ist wichtig für die Brutvögel und wird auch kontrolliert. Radfahren ist ebenfalls nicht gestattet.
Wer mehr über das Gebiet erfahren will, kann an einer der regelmäßigen Führungen des NABU teilnehmen. Die finden vor allem im Frühjahr und Herbst statt, dauern etwa zwei Stunden und werden von ehrenamtlichen Naturschützern geleitet, die das Ried seit Jahren kennen. Anmeldung über die NABU-Geschäftsstelle in Friedrichshafen oder direkt auf der Website.
Was wächst im Ried?
Neben den Vögeln ist auch die Pflanzenwelt im Eriskircher Ried bemerkenswert. Das Schilf dominiert natürlich – bis zu drei Meter hohe Halme, die im Wind ein charakteristisches Rauschen erzeugen. Dazwischen wachsen verschiedene Seggenarten, Rohrkolben und Wasserschwaden. Auf den trockenen Streuwiesen blühen im Sommer Wiesenblumen wie Kuckucks-Lichtnelke, Sumpf-Dotterblume und verschiedene Orchideenarten. Die Wiesen werden nur einmal im Jahr gemäht – erst im Herbst, wenn die Samen ausgereift sind.
An den Rändern des Rieds stehen alte Kopfweiden, die alle paar Jahre geschnitten werden. Diese hohlen Bäume sind wichtige Brutplätze für Höhlenbrüter wie den Gartenrotschwanz. Auch Fledermäuse nutzen die alten Weiden als Quartier. Entlang der Gräben wachsen Erlen und Weiden, die mit ihren Wurzeln das Ufer stabilisieren.
Der Blick über den See
Was das Eriskircher Ried von anderen Naturschutzgebieten am Bodensee unterscheidet, ist die Lage. Von hier aus hat man einen fast unverstellten Blick über den See – keine Häuser, keine Straßen, nur Wasser und dahinter die Berge. An klaren Tagen sieht man die komplette Alpenkette, vom Säntis im Westen bis zu den Allgäuer und Vorarlberger Gipfeln im Osten. Das Licht ändert sich ständig – morgens oft diesig, mittags grell, abends golden.
Besonders eindrucksvoll ist der Blick im Winter, wenn die Berge schneeweiß sind und sich im glatten Wasser spiegeln. Aber auch im Sommer, wenn über den Gipfeln Gewitterwolken aufziehen, ist die Kulisse spektakulär. Manche kommen nur wegen dieses Panoramas ins Ried – die Vögel sind dann eher Nebensache.
Eriskirch: Das Dorf nebenan
Wer im Ried unterwegs ist, kommt fast automatisch auch durch Eriskirch – ein kleiner Ort mit knapp 3.000 Einwohnern, der vor allem vom Obstbau lebt. Die Kirche St. Blasius steht auf einem kleinen Hügel über dem Dorf und ist schon von weitem sichtbar. Von hier oben hat man einen guten Überblick über das Ried und den See.
Im Ortskern gibt es ein paar Gasthäuser, die schwäbische Küche servieren – Maultaschen, Spätzle, Zwiebelrostbraten. Nichts Spektakuläres, aber solide. Wer nach der Riedwanderung noch etwas Zeit hat, kann einen Abstecher zum nahen Seeufer machen. Der Strand ist klein, aber im Sommer meist nicht überlaufen. Es gibt einen Kiosk, ein paar Bänke und einen Bootsanleger.
Alternativen und Umgebung
Das Eriskircher Ried ist nicht das einzige Feuchtgebiet am Bodensee, aber eines der zugänglichsten. Wer mehr davon sehen will, kann auch das Wollmatinger Ried bei Konstanz besuchen – ebenfalls ein wichtiges Vogelschutzgebiet, allerdings deutlich größer und weniger erschlossen. Oder das Rheindelta bei Bregenz, wo der Rhein in den See mündet – auch dort gibt es ausgedehnte Schilfgebiete und gute Beobachtungsmöglichkeiten.
In der näheren Umgebung lohnt sich ein Besuch in Friedrichshafen mit dem Zeppelinmuseum oder in Langenargen mit dem Schloss Montfort. Beide Orte sind vom Eriskircher Ried aus in wenigen Minuten mit dem Auto zu erreichen. Wer lieber wandert, kann vom Ried aus weiter entlang des Bodensee-Rundwegs nach Osten Richtung Langenargen oder nach Westen Richtung Friedrichshafen laufen – beides schöne Strecken mit Seeblick.