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Craft Beer am Bodensee: Kleine Brauereien mit großem Geschmack

Am Bodensee hat sich zwischen alten Brauhäusern und kreativen Neu-Brewern eine lebendige Craft-Beer-Szene entwickelt. Vom hopfenstarken IPA in Tettnang bis zum Klosterbier auf der Reichenau – hier wird gebraut, experimentiert und mit lokalen Zutaten gespielt.

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Zwischenablage

Die Bodenseeregion und Bier – das ist eine alte Liaison. Schon im Mittelalter versorgten Klosterbrauereien die Mönche und Pilger mit gehaltvollen Sudwerken, und auch später gehörten Wirtshausbrauereien zum festen Inventar jeder größeren Ortschaft. Was sich geändert hat: Heute brauen am See nicht nur Großbetriebe ihre Standardlager. Zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich hat sich eine kleine, aber feine Szene von Craft-Beer-Enthusiasten etabliert, die mit regionalen Rohstoffen, kreativen Rezepturen und einer ordentlichen Portion Experimentierfreude arbeiten.

Das Besondere dabei ist der Mix. Manche Brauer sitzen direkt auf Hopfenfeldern, andere in umgebauten Gemüsehallen oder alten Kornhäusern. Es gibt Gasthaus-Brauereien mit großem Biergarten, urbane Bar-Konzepte in St. Gallen und sogar ein Kloster, das sein eigenes Amberbier keltert. Wer hier unterwegs ist, trifft Braumeister, die ihre Tanks persönlich zeigen, kann bei Verkostungen durch wechselnde Sorten probieren und lernt schnell: Craft Beer am Bodensee schmeckt nach mehr als nur Hopfen und Malz. Es schmeckt nach Ort, Wasser, Klima und manchmal auch ein bisschen nach Rebellion gegen industrielle Einheitsbiere.

Deutschland: Von der Insel bis zum Hopfengut

Auf der Lindauer Insel, wo sich im Sommer die Touristen durch enge Gassen schieben, sitzt die Mikrobrauerei Biero in der Ludwigstraße 24. Schmid & Hops GmbH heißt das Ganze offiziell, aber alle nennen es einfach Biero. Die Schänke ist klein, die Atmosphäre gemütlich, und abends wird's voll. Bier-Nerds und Inselgäste stehen hier Ellenbogen an Ellenbogen, probieren sich durch wechselnde Sorten und diskutieren über Hopfenprofile. Hier wird gebraut, was gefällt – von klassisch interpretiert bis hin zu mutigen Specials, die mit Aromen spielen. Direkt vor Ort, in kleinen Sudgrößen und mit viel persönlichem Kontakt zum Brauteam. Wer Hafenflair und charakterstarke Biere mag, ist hier richtig.

Ein paar Kilometer östlich liegt die Klosterinsel Reichenau im See. Bekannt für Gemüseanbau, UNESCO-Welterbe und mittelalterliche Kirchen, braut man hier seit einigen Jahren auch Bier. Die Brauwerkstatt Reichenau residiert in einer ehemaligen Gemüsehalle am Vögelisberg 7. Das Inselbier entsteht in überschaubaren Chargen, der Braumeister steht meist selbst am Kessel, und wer mag, kann bei Führungen direkt in die Tanks schauen. Charaktervoll sind die Sude, mal süffig-regional, mal experimentell. Spannend ist dabei, dass hier nicht nur gebraut, sondern auch gelehrt wird – Brauseminare bringen Interessierte nah an den Prozess heran. Und gleich nebenan, in der Bierboutique, gibt's die Flaschen dann auch zum Mitnehmen. Neben den eigenen Kreationen stehen internationale Craft-Biere in den Regalen, eine schöne Mischung für alle, die gern vergleichen.

In Konstanz wiederum sitzt die Ruppaner Brauerei an der Mainaustraße 3. Eine Familienbrauerei mit jahrhundertealter Geschichte, die sich trotzdem nicht auf ihren Klassikern ausruht. Immer wieder entstehen hier limitierte Sude, naturtrübe Spezialitäten und Rezepte, die neugierig machen. Im Bräustüble und in den Biergärten mit Seeblick schmeckt das frisch gezapfte Fassbier besonders gut, und wer wissen will, wie sich handwerklich Gebrautes von industriellen Standardbieren unterscheidet, bekommt hier die Antwort im Glas serviert. Regionale Küche, Bodensee-Panorama und Bier direkt aus der Quelle – das funktioniert.

Etwas weiter nördlich, in Kressbronn, steht die Gasthaus-Brauerei Max & Moritz am Nonnenbacher Weg 33. Hier wird schwäbische Wirtshauskultur mit aromatischen Craft-Bieren kombiniert. Die Sude sind unfiltert, naturbelassen und deutlich ausdrucksvoller als das übliche Standardlager. Vom Hausbier bis zu saisonalen Experimenten kommt alles direkt vom Tank ins Glas. Der Biergarten ist groß, kinderfreundlich und bietet Seeblick. Ehrliche Küche, entspannte Atmosphäre und Biere mit Charakter – perfekt für Familien, die Craft Beer mögen, aber keine hipsterige Bar-Szene brauchen.

Und dann gibt's da noch Tettnang. Die Hopfenstadt schlechthin, wo die berühmten Tettnanger Dolden wachsen. Auf dem Hopfengut No20 in Hepach 20 wird nicht nur angebaut, sondern auch gebraut. Pale Ales, IPAs, dunkle Ales, Stouts – alles hopfenbetont, modern interpretiert und mit deutlichen Aromen nach Zitrus, Melone oder Röststoffen. Im Museum erfährst du, wie aus den Dolden vor der Haustür charakterstarke Biere entstehen, und bei Führungen kommst du den Brauern nah. Auf der Terrasse mit Blick über die Hopfengärten schmeckt das frisch gezapfte IPA dann noch mal ein Stück besser. Es ist schon was Besonderes, sein Bier dort zu trinken, wo die Hauptzutat gerade am Gerüst wächst.

Schweiz: Urbane Braukunst und Klosterambiente

Auf der Schweizer Seite des Sees geht's meist etwas urbaner zu. In St. Gallen etwa, im Linsebühlquartier, sitzt HERMANN Bier an der Lämmlisbrunnenstrasse 18. Marco Hermann und sein Team brauen im Untergeschoss in kleinen Chargen, oben im Lokal warten rund ein Dutzend Zapfhähne mit eigenen Kreationen und Gastbieren. Die Atmosphäre? Bar, nicht Brauhaus. Modern, unkompliziert, lebendig. Hier kannst du dich durchprobieren, neue Stile kennenlernen und nebenbei erfahren, wie vielfältig Craft Beer inzwischen auch in der Bodensee-Region geworden ist. Degustationen und Führungen gibt's auch, falls du tiefer einsteigen willst.

In Rorschach, direkt am Schweizer Bodenseeufer, braut Kornhausbräu in einem historischen Kornhaus an der Kirchstraße 5. Die Gebäude-Geschichte ist beeindruckend, die Biere sind es auch. Klare, saubere Stile mit regionaler Handschrift, deutlich aromatischer als Massenware. Bei Führungen kannst du einen Blick in Sudhaus und Gärkeller werfen oder sogar dein eigenes Bierprojekt anstoßen – ja, richtig gelesen, hier wird auch individuell gebraut. Die Location mit Malzboden und Eventflächen macht jeden Craft-Beer-Abend zu was Besonderem. Manchmal riecht's noch nach Getreide, manchmal nach frisch angestellter Würze. Das gehört dazu.

Ein Stückchen landeinwärts, im Thurgau, liegt die huus braui AG in Roggwil an der St. Gallerstrasse 14. Nur einen Abstecher vom Bodensee-Radweg entfernt und damit ein Geheimtipp für Radtourende mit Faible für gutes Bier. Seit Anfang der 2000er entstehen hier charaktervolle Spezialitätenbiere, oft in naturtrüben Bügelflaschen mit viel Aroma. Die Brauer setzen auf handwerkliche Produktion, regionale Zutaten und ein Sortiment, das sich ständig weiterentwickelt. Im kleinen Ausschank oder bei Führungen kriegst du Bierkultur ohne Schnickschnack, aber mit viel Leidenschaft serviert. Manchmal sind's die unaufgeregten Orte, die am meisten hängen bleiben.

Richtig besonders wird's im Kloster Ittingen in Warth. Hier, zwischen alten Klostermauern und gepflegten Gärten an der Klosterstrasse 3, wird ein eigenes Amberbier aus dem hofeigenen Hopfengarten gebraut. Bewusst gibt's nur ein einziges Bier, kein großes Portfolio. Dafür ist dieses eine Klosterbier charaktervoll, durchdacht und passt perfekt zum Ort. In Kombination mit den Gärten, dem historischen Ambiente und der regionalen Küche entsteht ein Genussort, der Craft-Beer-Trend und jahrhundertealte Tradition zusammenbringt. Du trinkst dein Bier dort, wo der Hopfen wächst, inklusive Blick auf Ranken und Mauern. Das hat schon was Meditatives.

Österreich: Tradition trifft Kreativbrauerei

In Vorarlberg ist die Mohrenbrauerei in Dornbirn die große Nummer. Eine Traditionsbrauerei mit viel Geschichte, die sich mit ihrer Biererlebniswelt und Kreativbrauerei auch für experimentierfreudige Fans geöffnet hat. In kleinen Sudwerken an der Dr.-Waibel-Straße 2 entstehen neben den bekannten Klassikern immer wieder Spezialitäten und limitierte Biere, die deutlich in Richtung Craft gehen. Das mehrstöckige Museum ist beeindruckend, bei Kursen kannst du sogar dein eigenes Bier kreieren. Wer Bodensee-Urlaub mit Bierkultur verbinden will und dabei nicht auf professionelle Infrastruktur verzichten möchte, ist hier richtig. Tradition, Innovation und ein breites Verkostungsprogramm unter einem Dach – das funktioniert erstaunlich gut.

Wo du Craft Beer kaufen kannst

Nicht immer hat man Zeit für Brauereiführungen oder gemütliche Abende in der Schänke. Manchmal braucht's einfach ein paar gute Flaschen zum Mitnehmen. Auf der Insel Reichenau gibt's neben der Brauwerkstatt auch die Bierboutique am Vögelisberg 7. Hier stehen die eigenen Inselbiere neben internationalen Craft-Bieren in den Regalen, eine schöne Auswahl zum Testen und Mitnehmen direkt am westlichen Bodensee.

Richtig beeindruckend wird's dann in Langenargen. Der KommproBier Craft Beer Shop in der Lindauergasse 25 ist schlichtweg einzigartig. Mehr als 800 Sorten aus aller Welt, Verkostungen, Events und ein monatlicher „Tag der offenen Flasche" machen den Besuch zum Bier-Abenteuer. Experimentierfreudige kommen hier voll auf ihre Kosten, und nebenbei gibt's auch vegetarische Speisen. Wer hier reingeht, kommt selten mit nur einer Flasche wieder raus. Die Auswahl ist einfach zu verlockend.

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