Magazin

Feste feiern, wie sie fallen: Bodensee-Kalender für Genuss-Festivals rund ums Jahr

Am Bodensee ticken die Uhren nach Fisch, Wein und Wild. Von März bis November jagt ein kulinarisches Fest das nächste – authentisch, regional und verdammt lecker. Hier wird noch selbst gekeltert, gefangen und gebrutzelt.

Essen, Trinken & Märkte
Lesezeit: ca. 9 Min.
Kommentare
Teilen
Facebook
Pocket
E-Mail
0
Kommentare
Facebook
Pocket
E-Mail
Zwischenablage

Wenn der letzte Schnee von den Ufern schmilzt, beginnt am Bodensee das kulinarische Jahr mit einem Fisch, den viele unterschätzen: dem Rotauge. Die Plötze, wie sie auch genannt wird, hat sich seit 2019 ihren festen Platz im Festkalender erobert. Etwa sechs Wochen lang, meist von März bis Mitte April, widmen Restaurants rund um den gesamten See diesem Frühjahrs-Speisefisch ihre Kreativität.

Das Besondere daran? Die Rotaugenwochen sind keine kommerzielle Veranstaltung mit pompösem Rahmenprogramm, sondern eine stille Übereinkunft der regionalen Gastronomie. In Dutzenden Restaurants der Vierländerregion – Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein – entstehen währenddessen neue Interpretationen: knusprig frittierte Filets, Rotaugen nach Matjes-Art oder innovative Kombinationen mit Frühlingskräutern. Manche Köche servieren den Fisch klassisch mit Kartoffelsalat, andere wagen sich an Fusion-Gerichte mit asiatischen Einflüssen.

Praktisch ist dabei die überschaubare Dauer. Du hast genug Zeit, mehrere Restaurants abzuklappern, ohne dass es in Stress ausartet. Die teilnehmenden Betriebe findest du auf der Website bodenseewest.eu – dort sind auch die speziellen Menüs aufgelistet.

Sommerweine und Kellerführungen

Der Juli markiert den Beginn der Weinfest-Saison, und die startet direkt mit einem Highlight: Komm & See, das Winzerfestival, das drei bayerische Orte verbindet. In Lindau, Nonnenhorn und Wasserburg öffnen elf Bodensee-Weingüter ihre Türen, kostenlose Shuttle-Busse pendeln zwischen den Locations. Die Idee dahinter ist simpel und genial zugleich: Du sammelst Stempel an den verschiedenen Weingütern, nippst an Müller-Thurgau oder Spätburgunder, lässt dir bei Kellerführungen die Weinherstellung erklären und landest abends mit Live-Musik und Raclette-Ständen irgendwo am Seeufer.

Nur wenige Tage später verwandelt sich die Meersburger Unterstadt in eine Weinlaube unter freiem Himmel. Das Winzerfest hier ist deutlich kleiner und intimer als die große Herbstausgabe im September – dafür aber umso charmanter. Von Meersburger Vereinen liebevoll organisiert, dreht sich alles um den legendären Weinbrunnen. Ja, richtig gelesen: Aus diesem Brunnen fließt tatsächlich Bodenseewein statt Wasser. Trachtengruppen und Blasmusik sorgen für echte Bodensee-Folklore, und das Ganze spielt sich in den engen Gassen der historischen Unterstadt ab. Wer auf große Events steht, ist hier falsch – wer authentische Gemütlichkeit sucht, genau richtig.

Ende Juli wird's dann in Konstanz richtig legendär. Das Konstanzer Weinfest auf dem Stephansplatz präsentiert über 40 verschiedene Bodenseeweine von acht Weingütern. Vier Tage lang herrscht hier Ausnahmezustand: Live-Musik bis ein Uhr nachts, Flying Menü im Bastards-Style (das bedeutet: kleine Gänge, große Aromen, keine Regeln) und Rosé-Sundownern mit Alpenblick. Besonders die "Münchner G'schichten" am Samstagabend haben Kultstatus erreicht – was genau dahintersteckt, verrät dir vor Ort am besten jemand mit einem Glas Weißburgunder in der Hand.

Inselflair und Seeufer-Charme im August

Der August ist Hochsaison für Weinfeste, und zwar im besten Sinne. Das Wein- und Fischerfest auf der Insel Reichenau gehört zu den ältesten und beliebtesten Veranstaltungen dieser Art. Über 40 Jahre Tradition sprechen für sich. Der Reiz liegt am einzigartigen Standort: direkt am Seeufer beim Yachthafen Herrenbrücke. Elf Reichenauer Vereine bewirten mit frischem Bodenseefisch, knackigen Salaten von der Insel und regionalen Weinen des Winzervereins Reichenau.

Schon die Anreise hat was: Per Pendelbus oder Schiff gelangst du auf die Insel, und allein das vermittelt dieses besondere Inselflair. Kein Rummel, keine Kirmes-Atmosphäre – stattdessen authentische Bodensee-Kultur mit Seeblick. Man sitzt unter alten Bäumen, riecht den See, hört das Klappern von Geschirr und Besteck, und irgendwo spielt eine Blaskapelle auf.

Nicht weit entfernt, in Hagnau, findet zur gleichen Zeit eines der traditionsreichsten Weinfeste der Region statt. Seit 1976 treffen sich hier Weinfreunde auf der Torkelwiese. Der Winzerverein präsentiert hochwertige Hagnauer Weine, dazu gibt's Blasmusik und eine Aktionswiese für Kinder. Hagnau ist sowieso ein Winzerort durch und durch – überall siehst du Reben, kleine Weingüter und Straußwirtschaften.

Das Winzerfest Nonnenhorn kurz darauf setzt auf Vielfalt: rund 50 verschiedene Weine von bayerischen Bodensee-Winzern, serviert direkt am Landesteg mit Seeblick. Dazu regionale Klassiker wie Kässpätzle, Brezn und Dinnele (eine Art dünner Flammkuchen, nur besser). Big Bands und Musikvereine sorgen für Stimmung, und der historische Ortskern mit seinen schmalen Gassen bildet die perfekte Kulisse.

Ende August wird's nochmal interessant: Das Immenstaader Weinfest vor historischem Fachwerk kombiniert Immenstaader und Hagnauer Weine mit regionalen Speisen. Die offizielle Eröffnung durch die Bodensee-Weinprinzessin und den Bürgermeister verleiht dem Ganzen zusätzlichen Glanz. Live-Unterhaltung mit Blasmusik und DJs sorgt für ein breites musikalisches Spektrum – von traditionell bis tanzbeinfreundlich.

In Stetten, Deutschlands kleinster eigenständiger Bodenseegemeinde, organisiert die Freiwillige Feuerwehr ihr eigenes Weinfest. Klein, aber oho: Der Ort ist berühmt für seine Stettener Dinnele, die hier nach altem Rezept zubereitet werden. Traditionelle Blasmusik, Reben rundherum und eine Atmosphäre, die sich anfühlt wie ein großes Familientreffen – so lässt sich Stetten am besten beschreiben.

September: Die Königin der Weinfeste

Anfang September lädt das Bermatinger Weinfest in die rustikalen Gebäude und Weinlauben des Markgräflich Badischen Weinguts. Seit über 50 Jahren findet dieses Fest hier statt, und es hat sich seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Bermatinger Vereine bewirten mit schwäbischen Spezialitäten, abends gibt's fetzige Livemusik, und samstags führt eine traditionelle Weinwanderung durch die umliegenden Weinberge. Danach schmeckt der Wein nochmal besser – das ist keine Einbildung, sondern Physik.

Mitte September kommt dann das große Finale der Weinfest-Saison: das Bodensee-Weinfest in Meersburg. Seit 1974 das älteste seiner Art und mittlerweile auch das größte. Auf dem Schlossplatz in der Oberstadt präsentieren über 20 Weingüter ausschließlich Bodensee-Weine. An diesem Wochenende wird traditionell die neue Bodensee-Weinprinzessin gekrönt – ein Ereignis, das deutlich mehr ist als reine Folklore.

Das Besondere an diesem Fest: die schiere Vielfalt. Zahlreiche Food-Stände mit regionalen Spezialitäten von Meersburger Bäckern, Metzgern und Fischern schaffen ein vollständiges Kulinarik-Erlebnis. Traditionelle Blasmusikgruppen wechseln sich ab, und zwischen den Ständen herrscht eine Atmosphäre, die irgendwo zwischen Volksfest und gehobenem Weinevent liegt. Hier triffst du Winzer, Touristen, Einheimische und Weinkenner aus ganz Europa.

Fisch und Wild im Herbst

Kaum ist die Weinfest-Saison vorbei, beginnen Mitte September die BodenseefischWochen. Etwa vier Wochen lang zelebrieren 18 bis 20 teilnehmende Restaurants rund um den See den Wildfang mit kreativen Drei-Gänge-Menüs. Die Köche zaubern Interpretationen auf den Tisch, die weit über "Fisch mit Kartoffeln" hinausgehen: Hechtfilet unter Rucola-Speckkruste, würzige Bodensee-Bouillabaisse, Felchen auf Safranrisotto oder Zander mit Kürbisschaum.

Spannend ist dabei, dass jedes Jahr neue Kreationen entwickelt werden. Mit dem QR-Code auf der Speisekarte kannst du außerdem an Gewinnspielen teilnehmen – eine nette Dreingabe, aber eigentlich geht's ums Essen. Und das ist bei den FischWochen durchweg hochwertig. Viele Restaurants arbeiten direkt mit Berufsfischern vom Bodensee zusammen, die Frische ist also garantiert.

Wenn sich der Herbst über die Region legt, beginnen Mitte Oktober die WildenWochen. Rund 20 Restaurants am westlichen Bodensee feiern Wildfleisch in allen erdenklichen Variationen: Hirschgulasch, Wildburger, Rehrücken Carpaccio, kreative Kombinationen mit Kürbis und Pilzen. Das Konzept ähnelt den FischWochen, nur dass hier Reh, Hirsch und Wildschwein im Mittelpunkt stehen.

Begleitend gibt's Wildwanderungen, Kochkurse und exklusive Chef's-Table-Erlebnisse mit Weindegustationen. Bei letzterem sitzt du direkt in der Küche oder in einem separaten Raum, der Koch erklärt jeden Gang, und du bekommst Einblicke, die normalen Restaurantbesuchern verwehrt bleiben. Auch hier kannst du an Gewinnspielen teilnehmen, aber eigentlich ist das Erlebnis selbst schon Gewinn genug.

Ganzjährig: Die Markthalle als kulinarischer Anker

Zwischen all den Festivals und zeitlich begrenzten Events gibt's einen Ort, der ganzjährig für frische regionale Produkte steht: die Markthalle Reichenau. Montag bis Freitag von neun bis halb eins und zwei bis sechs geöffnet, samstags von acht bis zwölf, bietet sie täglich frisches Reichenauer Gemüse, regionale Produkte wie Eier, Weine und Käse sowie ein Bistro mit wechselnden Gerichten.

Die Markthalle ist ein Inklusionsbetrieb, was bedeutet, dass hier Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Das Café serviert Kaffee und Kuchen, und die Lage am Wollmatinger Ried mit Blick über die Insel macht sie zum perfekten Startpunkt für eine Radtour. Oder zum gemütlichen Mittagsstopp, wenn du einfach nur frische Produkte kaufen und dabei einen Kaffee trinken willst.

Was die Markthalle von anderen Hofläden unterscheidet: die Vielfalt und Konstanz. Hier findest du immer etwas, egal ob Hochsommer oder tiefster Winter. Und die Qualität stimmt – das Gemüse kommt direkt von der Insel, die Weine aus der Region, und das Bistro verarbeitet genau diese Zutaten zu wechselnden Tagesgerichten.

Praktische Tipps für Festival-Jäger

Wer mehrere dieser Festivals besuchen will, sollte sich die Termine gut notieren. Viele finden an Wochenenden statt, manche überschneiden sich sogar. Die Rotaugenwochen und die BodenseefischWochen sind zeitlich großzügig angelegt, da bleibt genug Spielraum. Bei den Weinfesten im Juli und August wird's enger – hier lohnt sich eine frühe Planung.

Apropos Planung: Wer zum großen Bodensee-Weinfest nach Meersburg will, sollte rechtzeitig eine Unterkunft buchen. An diesem Wochenende ist die Stadt voll, und die Hotels füllen sich schnell. Gleiches gilt für das Konstanzer Weinfest – auch hier kann es eng werden mit Last-Minute-Buchungen.

Die meisten Festivals sind übrigens problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad erreichbar. Gerade beim Komm & See Festival fahren kostenlose Shuttle-Busse zwischen den Orten – das macht die Sache entspannt und sicher. Niemand muss sich Gedanken ums Fahren nach ein paar Gläsern Wein machen.

Für die Fisch- und WildWochen gilt: Reservieren ist sinnvoll. Die teilnehmenden Restaurants sind oft gut besucht, und die speziellen Menüs sind limitiert. Ein Anruf oder eine Online-Reservierung ein paar Tage vorher spart Enttäuschungen.

Die Preise variieren je nach Festival und Restaurant. Bei den Rotaugen- und FischWochen zahlst du für ein Drei-Gänge-Menü meist zwischen 30 und 50 Euro – durchaus fair für die Qualität. Weinfeste haben oft Eintrittspreise zwischen fünf und zehn Euro, dafür bekommst du ein Weinglas und manchmal sogar einen Gutschein. Wein und Essen zahlst du dann separat, wobei ein Glas meist zwischen vier und sieben Euro kostet.

Schreibe einen Kommentar
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.
 
Du 

Bisher keine Kommentare
Entdecke mehr:
Nach oben scrollen