Der Hegau, rund 570 Quadratkilometer zwischen Singen, Engen und dem westlichen Bodensee, hat ein geologisches Profil, das man so schnell nicht vergisst. Vor etwa 14 Millionen Jahren, mitten im Miozän, sorgte die Kollision der europäischen und afrikanischen Kontinentalplatten für ordentlich Unruhe im Untergrund. Der Oberrheingraben sackte ab – geologisch gesehen ziemlich flott –, und aus den Tiefen drängte geschmolzenes Gestein nach oben. Traf das brodelnde Magma auf Grundwasser, gab's heftige Explosionen. Ein knappes Dutzend Vulkane entstanden so, deren Eruptionen die Umgebung unter pyroklastischen Sedimenten begruben.
Was sich bildete, war eine 100 Meter dicke Schicht aus weichem Tuffgestein – Tephra, griechisch für Asche, wenn man's genau nimmt. Einige Millionen Jahre später wälzte sich in den Vulkanen glühend heißer Melilithit, auch "Hegauer Basalt" genannt, und Phonolith-Gestein nach oben. Allerdings: Die Oberfläche durchstoßen haben diese zähflüssigen Gesteinsmassen nie. Sie erstarrten 100 bis 150 Meter unter der Erdoberfläche wie Pfropfen in den Vulkanschloten.
Dann kamen die Gletscher – und räumten auf
Vor etwa 150.000 Jahren, im Pleistozän während der Riß-Kaltzeit, wurde der Hegau von einem dicken Eispanzer bedeckt. Die aus den Alpen herandrängenden Gletscher führten Geröll und Gestein mit sich, die das weiche Tuffgestein im Verlauf von Zehntausenden Jahren abschliffen. Die harten Phonolith- und Basalt-Kerne jedoch hielten den Eismassen stand. Als die Gletscher schmolzen, wurden die erstarrten Magma-Pfropfen freigelegt. Voilà: Diese prägnanten, aus Feuer und Eis geborenen Kegelberge prägen die Landschaft des Hegau bis heute.
Das Ergebnis ist eine der geologisch bemerkenswertesten Landschaften Deutschlands. Charakteristisch sind die sogenannten Hegauvulkane – darunter der Hohentwiel, der Hohenstoffeln, der Hohenkrähen und der Hohenhewen –, die sich mit Höhen zwischen 643 und 867 Metern kegelförmig aus der Landschaft erheben. Die wissenschaftliche Erforschung dieses Vulkanfeldes reicht übrigens bis ins späte 18. Jahrhundert zurück.
Der Hohentwiel: Festungsruine auf Phonolith
Der Hohentwiel bei Singen ist vielleicht der bekannteste unter den Hegauvulkanen. Mit 696 Metern überragt er die Stadt Singen am östlichen Fuß des Berges um 260 Meter. Auf dem Berg thront die größte Festungsruine Deutschlands – neun Hektar Fläche, mächtige Mauern, gewaltige Kellergewölbe. Die Geschichte der Anlage reicht bis ins Jahr 915 zurück, als hier erstmals eine Befestigung erwähnt wurde. Die Burg diente als Residenz der schwäbischen Herzöge, später war sie im Besitz verschiedener Adelsfamilien.
Im 16. Jahrhundert ließ Herzog Ulrich von Württemberg den Hohentwiel zur Landesfestung ausbauen. Während des Dreißigjährigen Kriegs erlangte die Festung unter ihrem Kommandanten Konrad Widerholt den Ruf einer uneinnehmbaren Bastion. Die Belagerung durch die Franzosen im Jahr 1800 beendete man mit vollständiger Kapitulation – unter der Bedingung, dass die Festung nicht zerstört werde. Napoleon befahl dennoch die Schleifung, seitdem ist der Hohentwiel eine romantische Ruine.
Interessant ist der Berg nicht nur historisch, sondern auch mineralogisch. Der Phonolith – auch "Klingstein" genannt – spaltet in Platten ab und gibt beim Anschlagen einen hellen Klang von sich. Eine Besonderheit des Phonoliths vom Hohentwiel sind die mit seltenem, gelbem Natrolith gefüllten Klüfte. Der Berg steht unter Naturschutz, und wer bei schönem Wetter den Aufstieg wagt, wird mit einem imposanten Blick über den Hegau bis zum Bodensee und den Alpen belohnt.
Hohenstoffeln und Hohenhewen: Die breiten Riesen
Der Hohenstoffeln mit seinen knapp 842 Metern bildet das Zentrum der Vulkanberge des Hegaus. Sein breiter Kegel ist schon von weitem zu erkennen, und wie beim Hohenhewen besteht seine Kuppe aus basaltähnlichem Gestein. Die Hänge sind durch die starke Erosion, die vor allem vom Rheingletscher ausgelöst wurde, übersteilt. Rutschungen haben sie zusätzlich überformt – an der steilen Südostflanke des Hohenhewen kam es noch 1816/17 zu einem Bergrutsch.
Der Hohenhewen selbst, mit rund 845 Metern der zweithöchste Hegauberg, ist als Engener Hausberg bekannt. Auf dem Neuhewen, dem höchsten Vulkan, befand sich einst die höchste Burganlage des Hegaus, die allerdings 1639 im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde und aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden kann.
Höwenegg: Fossilien aus der Urzeit
Der Höwenegg bei Immendingen, drei Kilometer südlich des Ortes gelegen, ist der nordöstlichste Vertreter der Hegauvulkane. Anders als die anderen Vulkanrelikte wurde hier der Nephelinbasaltrumpf nicht herauspräpariert – der Gesteinsabbau musste deshalb in die Tiefe gehen. Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1979 bauten die Süddeutschen Basaltwerke hier Basalt für den Straßenbau ab. Im ehemaligen Abbaubereich entstand ein See, der heute von einem grün schimmernden Oberflächenwasser gespeist wird.
Berühmt ist der Höwenegg aber vor allem wegen seiner Fossilienfunde. Zwischen 1950 und 1963 haben Forscher 13 mehrwöchige Grabungskampagnen durchgeführt – und dabei das vollständig erhaltene Skelett eines dreizehigen Urpferds namens Hipparion entdeckt. Die Versteinerung ist heute im Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe ausgestellt. Weitere vollständige Skelette von Antilopen, urzeitlichen Nashörnern, hyänenartigen Raubtieren und Säbelzahntigern kamen ans Licht, dazu 1953 eine Hipparion-Stute mit geburtsreifem Fohlen.
Die Fossilfunde liegen in den Sedimenten der Höwenegg-Schichten, die in das frühe Vallesium datiert werden und vermutlich die Ablagerungen in einem postvulkanischen Maarsee darstellen. Der Steinbruch ist außerdem ein Mineralienfundort und die Typlokalität des seltenen Minerals Amicit. Seit 1983 steht das Gebiet unter Naturschutz.
Wandern im Hegauer Kegelspiel
Die Vulkanlandschaft lässt sich am besten zu Fuß erkunden. Unter dem Namen "Hegauer Kegelspiel" präsentieren sich zehn Premiumwanderwege: neun Rundwanderungen mit einer Streckenlänge zwischen 7 und 15 Kilometern und eine Streckenwanderung über 30 Kilometer. Die Wege führen zu burgengekrönten Vulkankegeln, entlang idyllischer Flussläufe und durch romantische Schluchten.
Der Premiumwanderweg "Hohentwieler" ist eine 7,5 Kilometer lange Rundtour über die Höhen des Hohentwiel und um den Staufen. Die Tour bietet faszinierende Ausblicke in die Vulkanlandschaft des Hegaus, zum Bodensee und bis zu den Alpen. Die "Hegauer Vulkan Tour" – mit Zuweg vom Bahnhof Engen insgesamt 29,4 Kilometer lang – ist ein sehr schöner Wanderweg, der seinem Namen alle Ehre macht. Wer sportlich unterwegs ist, schafft die Tour an einem Tag, doch die fast 30 Kilometer in Kombination mit den vielen Höhenmetern sind auch für Geübte eine Herausforderung. Die Wanderung kann auch zweitägig gestaltet werden, mit Übernachtung in Weiterdingen oder Mühlhausen-Ehingen.
Der "Hewensteig" erfordert Trittsicherheit und eine gute Kondition – die steilen Anstiege haben's in sich. Der "Grenzgänger" entlang des Rheins durch Wälder und Weinberge bietet einmalige Ausblicke und überschreitet als einziger Premiumwanderweg die Grenze zur Schweiz. Der "Stettener Panoramaweg" beschert ein grandioses Hegaupanorama: man blickt auf eine schöne Vulkanlandschaft, hinter der sich der Bodensee ausbreitet.
Engen, Tengen, Blumenfeld – die schönsten Städte der Welt?
"Engen, Tengen, Blumenfeld sind die schönsten Städt' der Welt" – dieser Spruch ist schon recht alt, doch seit die historische Altstadt von Engen ab 1976 nahezu vollständig saniert wurde, lohnt es sich tatsächlich, genauer hinzusehen. Mit viel Liebe und Geschick wurde die denkmalgeschützte Altstadt mit dem Marktplatz, dem Kloster St. Wolfgang und Häusern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert restauriert. Die charmante Atmosphäre einer fast südländisch anmutenden mittelalterlichen Stadt mit den schiefen Häusern, buckligen Gassen und schattigen Plätzen verzaubert so manchen Besucher.
Einen spannungsreichen Kontrast zu den alten Gebäuden bieten die von zeitgenössischen Künstlern gestalteten Brunnen – darunter Arbeiten von Jürgen Goertz und Lutz Brockhaus –, welche die mittelalterliche Tradition der Wasserversorgung aufgreifen. Das Städtische Museum Engen + Galerie zeigt eine archäologische Abteilung zum Thema "Rentierjagd im Brudertal", sakrale Kunst und Wechselausstellungen moderner Kunst.
Tengen bietet eine abwechslungsreiche Mischung aus Natur, Entspannung und Kultur. Der Luftkurort zwischen Schwarzwald, Alpen, Bodensee und Schwäbischer Alb beherbergt im Jahr rund 120.000 Gäste. Die historische Altstadt, Wanderungen, ein Ausflug in die Mühlbachschlucht oder eine Mountainbiketour – ob Entspannung und Ruhe oder lieber Bewegung, in der Vulkanlandschaft mit ausgezeichneter Luft rund um Tengen wird man fündig. Ein Highlight im Veranstaltungsprogramm ist der jährliche Schätzele-Markt Ende Oktober mit über 100.000 Besuchern – das größte Volksfest der Region.
Blumenfeld liegt auf einem ehemaligen Umlaufberg des Flüsschens Biber und war einst ein Ableger der Ordenskommende Mainau des Deutschritter Ordens. Das Schloss – einst Burg und Gericht – ist heute eine Begegnungsstätte. Bei Büßlingen, einem Ortsteil von Tengen, kann man die Reste eines römischen Gutshofs besichtigen. Der in seinen Grundmauern nahezu komplett restaurierte Gutshof gehört zu den größten Anlagen seiner Art in Baden-Württemberg.
Praktische Hinweise
Der Hegau ist mit Bahn und Auto gut erreichbar. Die Autobahn A 81 führt unmittelbar an der Stadt Engen vorbei, und gute Bahnverbindungen bestehen zwischen Offenburg-Konstanz beziehungsweise Singen-Stuttgart. Singen selbst ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt im Süden Baden-Württembergs. Der internationale Flughafen Zürich und der Flughafen Stuttgart sind in etwa 60 Minuten zu erreichen.
Die Festungsruine Hohentwiel ist von April bis Mitte Oktober täglich von 9 bis 18:30 Uhr geöffnet (letzter Einlass 17:30 Uhr), von Mitte Oktober bis März nur samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr (letzter Einlass 15 Uhr). Der Aufstieg vom Informationszentrum zum Eingang der Festungsruine dauert etwa 15 Minuten. Bis zur Karlsbastion kann der Berg auch ohne Ticket erkundet werden. Am Wochenende steht das Anruf-Sammel-Taxi zur Verfügung, das vom Bahnhof Singen zum Informationszentrum Hohentwiel fährt.
Für die Wanderwege empfiehlt sich festes Schuhwerk – einige Abschnitte können steil sein, und manche Wege sind nicht unbedingt für Kinderwagen oder Rollstühle geeignet. Die beste Wanderzeit ist von Frühjahr bis Herbst, doch auch im Winter haben die Vulkanlandschaft und die verschneiten Burgruinen ihren Reiz. Bei klarer Sicht reicht der Blick von den Gipfeln bis zur Alpenkette – an solchen Tagen sollte man die Kamera nicht vergessen.