Überlingen, Salem & Meersburg

Pfahlbauten in Unteruhldingen: Auf Holzstegen durch 6000 Jahre Geschichte

Holzhäuser auf Pfählen, mitten im seichten Wasser des Bodensees – was heute wie eine Kulisse wirkt, war vor Jahrtausenden Alltag. Das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen macht diese versunkene Welt wieder lebendig. Und zwar nicht nur theoretisch.

Kommentare
Teilen
Facebook
Pocket
E-Mail
0
Kommentare
Facebook
Pocket
E-Mail
Zwischenablage

Das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen liegt direkt am Ufer des Überlinger Sees, einem Seitenarm des Bodensees, und zählt zu den ältesten und bekanntesten Freilichtmuseen Europas. Seit 1922 stehen hier rekonstruierte Pfahlbauhäuser auf hölzernen Plattformen über dem Wasser – manche stammen aus der Stein-, andere aus der Bronzezeit. Die Anlage ist kein gewöhnliches Museum mit Vitrinen und Schautafeln, sondern ein begehbares Ensemble aus über 20 Häusern, die auf archäologischen Funden basieren. Du läufst über Holzstege von Haus zu Haus, das Wasser gluckst unter den Brettern, und manchmal quietscht es auch.

Die Geschichte des Museums beginnt in den 1920er-Jahren, als der Maler und Heimatforscher Georg Sulger die Idee hatte, die prähistorischen Siedlungen am Bodensee zu rekonstruieren. Zusammen mit einigen Mitstreitern baute er die ersten Häuser – zunächst noch ziemlich provisorisch. Mit den Jahren wurden die Rekonstruktionen präziser, vor allem durch neue archäologische Erkenntnisse aus Grabungen rund um den Bodensee. Heute steht das Museum unter Denkmalschutz und ist Teil des UNESCO-Welterbes "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen".

Zwei Dörfer, zwei Epochen

Im Pfahlbaumuseum kannst du zwei komplett verschiedene Siedlungen erkunden. Das Steinzeitdorf zeigt Häuser aus der Jungsteinzeit, also etwa 4000 bis 3000 v. Chr., während das Bronzezeitdorf die Lebensweise zwischen 1000 und 800 v. Chr. darstellt. Die Unterschiede sind deutlich: Die Steinzeithäuser wirken rustikaler, die Konstruktionen sind einfacher, die Dächer bestehen aus Schilf und Rinde. Alles sieht irgendwie provisorischer aus, obwohl die Bewohner damals durchaus sesshaft waren und Landwirtschaft betrieben.

Anders das Bronzezeitdorf. Hier fallen die größeren Häuser auf, teils mit aufwendigeren Innenräumen und mehr Möbeln. Die Bewohner hatten zu dieser Zeit schon Zugang zu Metallwerkzeugen, was sich in der gesamten Bauweise niederschlägt. Spannend ist dabei, dass man in einigen Häusern originalgetreue Nachbildungen von Gegenständen findet – Töpfe, Werkzeuge, Waffen, sogar nachgebaute Webstühle. Manche Häuser sind komplett eingerichtet, als hätten die Bewohner gerade erst das Feuer gelöscht und wären kurz rausgegangen.

Über dem Wasser – warum eigentlich?

Die Frage, warum Menschen ihre Häuser auf Pfählen ins Wasser bauten, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Lange ging man davon aus, dass es vor allem um Schutz ging – vor wilden Tieren oder feindlichen Stämmen. Aber diese Theorie gilt mittlerweile als überholt. Wahrscheinlicher ist, dass die Pfahlbauten am Ufer oder in Feuchtgebieten errichtet wurden, weil dort der Boden fruchtbar war und Fisch reichlich vorhanden. Das Wasser bot zudem eine natürliche Konservierung von organischem Material, weshalb Archäologen heute noch so viel über das Leben der Pfahlbauer wissen.

Viele der rekonstruierten Häuser im Museum stehen tatsächlich direkt im flachen Wasser des Bodensees, andere auf festem Grund. Wenn du an einem windigen Tag über die Stege gehst, schwankt manchmal der ganze Boden leicht – ein bisschen unheimlich, aber auch faszinierend. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie instabil und zugleich robust diese Bauweise war.

Was es drinnen zu sehen gibt

In den Häusern selbst ist oft erstaunlich viel los – zumindest optisch. Die Innenräume sind teilweise detailreich nachgebaut: Feuerstellen, Schlafstätten aus Fellen, Vorratsgefäße aus Ton, Fischnetze, Steinäxte. In einem der Häuser hängen getrocknete Kräuter von der Decke, in einem anderen liegen Körbe mit Getreide herum. Die Luft riecht nach Holz und manchmal auch nach Rauch, weil in einigen Häusern tatsächlich Feuer gemacht wird – nicht immer, aber gelegentlich bei Führungen oder Veranstaltungen.

Besonders eindrucksvoll sind die Webstühle und Handwerksgeräte. Man sieht, wie komplex die Herstellung von Kleidung oder Werkzeugen war, auch ohne moderne Technik. Ein paar Häuser sind auch so gestaltet, dass man sich hinsetzen und die Atmosphäre auf sich wirken lassen kann. Das ist gerade für Kinder spannend, die sich hier gut vorstellen können, wie das Leben ohne Strom und fließendes Wasser ablief.

Das Archäorama – Museum im Museum

Neben den Pfahlbauhäusern gibt es noch das sogenannte Archäorama, ein modernes Ausstellungsgebäude, das 2013 eröffnet wurde. Hier wird die Geschichte der Pfahlbauforschung am Bodensee erzählt, außerdem gibt es Originalfunde zu sehen – Keramik, Schmuck, Werkzeuge. Die Präsentation ist zeitgemäß, mit Multimedia-Stationen und interaktiven Elementen. Für alle, die tiefer in die Materie einsteigen wollen, lohnt sich dieser Teil auf jeden Fall.

Im Archäorama erfährst du auch, wie Unterwasserarchäologie funktioniert. Die meisten Pfahlbausiedlungen liegen heute unter Wasser oder unter Sedimentschichten. Taucher und Forscher haben über Jahrzehnte hinweg Fundstücke geborgen, die nun in Vitrinen ausgestellt sind. Manche Objekte sind überraschend gut erhalten – Holzlöffel, Textilreste, sogar Essensreste. Das liegt an der Konservierung durch Wasser und Schlamm, die den Zerfall über Jahrtausende verhindert hat.

Führungen und Vermittlung

Das Museum bietet regelmäßig Führungen an, die in der Regel etwa eine Stunde dauern. Die Guides sind gut geschult und erzählen nicht nur Fakten, sondern auch Anekdoten aus der Forschung. Manchmal gibt es auch Spezialführungen, etwa zu bestimmten Themen wie Ernährung, Handwerk oder Kindheit in der Steinzeit. Wer keine Führung will, kann sich das Museum auch auf eigene Faust anschauen – Infotafeln gibt es überall, und die Anlage ist übersichtlich.

Für Schulklassen und Familien gibt es pädagogische Programme. Kinder können hier zum Beispiel selbst Steinzeitschmuck basteln, Feuer machen oder Getreide mahlen. Solche Mitmach-Aktionen sind besonders in den Sommermonaten beliebt. An manchen Tagen riecht es dann nach frisch gemahlenem Korn oder nach Harz, das zum Abdichten von Gefäßen verwendet wurde.

Lage und Anfahrt

Unteruhldingen ist ein kleiner Ortsteil der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen, etwa zehn Kilometer westlich von Überlingen. Das Museum liegt direkt an der B31, die entlang des Bodenseeufers verläuft. Wer mit dem Auto anreist, findet vor Ort kostenpflichtige Parkplätze. In der Hochsaison kann es allerdings eng werden, gerade am Wochenende.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Museum ebenfalls gut erreichbar. Die Buslinie 7395 hält direkt vor dem Eingang, und vom Bahnhof Überlingen oder Meersburg sind es nur wenige Minuten. Auch per Schiff ist die Anreise möglich – mehrere Bodensee-Fährlinien legen in Unteruhldingen an, von wo aus es nur ein paar Schritte zum Museum sind. Die Kombination aus Schifffahrt und Museumsbesuch ist gerade bei schönem Wetter ein echter Klassiker.

Öffnungszeiten und Eintritt

Das Pfahlbaumuseum ist saisonabhängig geöffnet. Von April bis Oktober kann man das Freilichtgelände täglich besuchen, in den Wintermonaten bleibt es meist geschlossen – die Holzkonstruktionen brauchen Pflege, und bei Schnee und Eis wird es auf den Stegen auch schlicht zu gefährlich. Die genauen Öffnungszeiten variieren von Jahr zu Jahr, ein Blick auf die Webseite vor dem Besuch ist also sinnvoll.

Der Eintrittspreis liegt im mittleren Bereich. Erwachsene zahlen etwa 10 bis 12 Euro, Kinder und Jugendliche bekommen Ermäßigung. Familienkarten sind ebenfalls erhältlich. Wer eine Bodensee-Card besitzt, kann unter Umständen vergünstigt oder sogar kostenlos rein – auch hier lohnt sich ein vorheriger Check.

Was man drumherum noch machen kann

Unteruhldingen selbst ist touristisch geprägt, aber nicht überlaufen. Es gibt ein paar Restaurants und Cafés entlang der Uferpromenade, von denen viele einen schönen Blick auf den See bieten. Wer nach dem Museumsbesuch noch Zeit hat, kann am Ufer spazieren gehen oder sich ein Eis holen. Im Sommer ist das Strandbad direkt nebenan geöffnet – Baden im Bodensee ist hier problemlos möglich.

In der näheren Umgebung gibt es weitere Sehenswürdigkeiten. Überlingen mit seiner Altstadt und dem Münster St. Nikolaus ist nur eine kurze Fahrt entfernt. Auch Meersburg, bekannt für sein Schloss und die Weinberge, liegt in der Nähe. Wer gerne wandert oder Rad fährt, findet rund um Unteruhldingen zahlreiche Routen – der Bodensee-Radweg führt direkt am Museum vorbei.

Ein paar praktische Tipps zum Schluss

An sonnigen Tagen wird es auf den Holzstegen ziemlich heiß – Sonnencreme und Kopfbedeckung sind dann Pflicht. Die Stege sind teilweise schmal, und bei viel Besucherandrang kann es schon mal zu kleinen Staus kommen. Wer früh kommt, hat mehr Ruhe. Das Museum ist grundsätzlich auch für Rollstuhlfahrer zugänglich, allerdings sind manche Bereiche aufgrund der Konstruktion schwierig zu befahren. Festes Schuhwerk ist auf jeden Fall empfehlenswert, gerade nach Regen können die Holzbohlen rutschig werden.

Fotografieren ist erlaubt und sogar erwünscht. Die Häuser auf Stelzen vor der Kulisse des Bodensees geben wirklich schöne Motive ab. Wer Glück hat, erwischt einen Tag mit leichtem Nebel – dann wirkt die ganze Anlage noch mystischer. Hunde dürfen übrigens nicht mit ins Museum, auch nicht an der Leine. Das sollte man vorher wissen.

Schreibe einen Kommentar
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.
 
Du 

Bisher keine Kommentare
Entdecke mehr:
Nach oben scrollen