Untersee mit Konstanz & Hegau

Konstanz: Zwischen Mittelalter, Studentenleben und Schweizer Grenze

Konstanz ist die Stadt am Bodensee, die nicht ins Schema passt: zu groß, zu lebendig, zu urban. Und genau das macht sie spannend. Zwischen Münster und Hafenpromenade, zwischen Deutschland und Schweiz, zwischen Historie und Uni-Alltag pulsiert hier das Leben.

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Zwischenablage

Konstanz liegt dort, wo der Bodensee anfängt, richtig interessant zu werden: am südwestlichen Ufer des Obersees, direkt an der Grenze zur Schweiz. Mit rund 85.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt am gesamten Bodensee und gleichzeitig die einzige deutsche Stadt, die südlich des Sees liegt. Das verdankt sie einer historischen Laune – aber dazu später mehr.

Die Lage ist wirklich bemerkenswert: Der Rhein fließt hier aus dem Obersee heraus und bildet den sogenannten Seerhein, bevor er in den kleineren Untersee mündet. Die Altstadt erstreckt sich auf einer Halbinsel zwischen Obersee und Seerhein, dahinter dehnt sich das moderne Konstanz bis weit ins Hinterland aus. Auf der anderen Seite des Seerheins liegt Petershausen, ein Stadtteil mit eigener Geschichte.

Dass die Grenze zur Schweiz mitten durch die Stadt verläuft, merkt man manchmal erst auf den zweiten Blick. Der Schweizer Nachbarort Kreuzlingen geht nahtlos in Konstanz über – früher trennten hier Grenzposten und Schlagbäume, heute flanierst du einfach von einem Land ins andere. Einzig kleine Schilder und unterschiedliche Straßenbeläge verraten, wo Deutschland aufhört und die Schweiz beginnt.

Die Geschichte einer besonderen Stadt

Konstanz kann auf eine reichlich 2000-jährige Geschichte zurückblicken. Die Römer gründeten hier um das Jahr 40 n. Chr. ein Kastell namens Constantia – nach Kaiser Constantius Chlorus benannt. Aus diesem römischen Militärposten entwickelte sich über die Jahrhunderte eine bedeutende Stadt.

Richtig spannend wird's im Mittelalter. Konstanz wurde Bischofssitz und entwickelte sich zu einem wichtigen geistlichen und weltlichen Zentrum. Der Bischof von Konstanz herrschte über ein gewaltiges Gebiet, das weit über die Stadt hinausreichte. Im 13. Jahrhundert wurde Konstanz freie Reichsstadt – eine Stellung, die sie bis 1548 behielt.

Das große Ereignis aber, das bis heute den Ruf der Stadt prägt, fand zwischen 1414 und 1418 statt: das Konstanzer Konzil. Drei Päpste stritten damals um die Macht in der katholischen Kirche, die Christenheit stand vor einer Zerreißprobe. Also berief man ein Konzil ein, das dieses sogenannte Große Abendländische Schisma beenden sollte. Vier Jahre lang war Konstanz das Zentrum der christlichen Welt. Kaiser, Könige, Kardinäle und ungezählte Geistliche drängten sich in der Stadt, dazu Kaufleute, Handwerker, Gaukler und – wie zeitgenössische Quellen vermerken – rund 700 "gewerbliche Damen".

Das Konzil wählte schließlich einen neuen Papst, Martin V., und beendete damit das Schisma. Gleichzeitig verurteilte es den böhmischen Reformator Jan Hus als Ketzer zum Tod auf dem Scheiterhaufen – trotz zugesichertem freien Geleit. Diese Untat wirft bis heute einen dunklen Schatten auf das Konzil.

Warum Konstanz südlich des Bodensees liegt und damit heute als deutsche Exklave gilt, hat mit Napoleon zu tun. Bei der Neuordnung Europas Anfang des 19. Jahrhunderts wäre Konstanz beinahe an die Schweiz gefallen. Am Ende kam es zu Baden – und blieb damit deutsch, obwohl es geografisch eigentlich auf der "falschen" Seite des Sees liegt.

Durch die Altstadt schlendern

Das historische Zentrum von Konstanz ist erstaunlich gut erhalten. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt weitgehend von Bombenangriffen verschont – vermutlich, weil sie direkt an die neutrale Schweiz grenzte und bei Nacht alle Lichter löschte, um mit dem ebenfalls dunklen Kreuzlingen zu verschmelzen. So hat sich hier ein mittelalterlicher Stadtkern bewahrt, der seinesgleichen sucht.

Die engen Gassen der Niederburg, dem ältesten Stadtviertel, laden zum Bummeln ein. Hier reihen sich Häuser aus dem 13. bis 15. Jahrhundert aneinander, manche mit bemalten Fassaden, andere mit kunstvollen Erkern. Das Viertel wirkt manchmal fast ein bisschen verschlafen – gerade das macht seinen Reiz aus. In den Erdgeschossen haben sich kleine Läden, Galerien und Cafés eingerichtet.

Mittelpunkt der Altstadt ist das Münster, eigentlich die Kirche des ehemaligen Bischofssitzes. Der romanisch-gotische Bau mit seinem 78 Meter hohen Turm prägt das Stadtbild. Innen beeindruckt vor allem die gotische Hallenkirche mit ihren schlanken Säulen. In der Mauritiusrotunde, einem romanischen Anbau, sind Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert zu sehen – wenn man Glück hat und die Kapelle gerade geöffnet ist.

Vom Münster aus sind es nur wenige Schritte zum ehemaligen Dominikanerkloster, heute ein Kulturzentrum. Hier tagte während des Konzils übrigens das Konklave, das Martin V. zum Papst wählte. Die schlichte Kirche und der schöne Kreuzgang lohnen einen Besuch.

Wer durch die Kanzleistraße schlendert, kommt am Haus zur Kunkel vorbei, einem prächtigen Zunfthaus aus dem 16. Jahrhundert mit reich verzierter Fassade. Solche Details machen den Spaziergang durch Konstanz aus: An jeder Ecke gibt's was zu entdecken, mal ein gotisches Portal, mal einen barocken Erker, mal eine kuriose Inschrift.

Am Hafen – und die Imperia

Der Hafen von Konstanz ist nicht nur Anlegestelle für Schiffe und Fähren, sondern auch sozialer Treffpunkt und architektonisches Highlight. Hier legen die weißen Kursschiffe der Bodensee-Schiffsbetriebe an, hier starten Fähren nach Meersburg, und hier drehen Segler ihre Runden.

Das unübersehbare Wahrzeichen am Hafen ist die Imperia, eine neun Meter hohe Statue des Bildhauers Peter Lenk. Seit 1993 dreht sie sich auf einem Sockel im Hafenbecken – eine volle Umdrehung alle vier Minuten. Die Figur stellt eine Kurtisane dar, die in jeder Hand einen nackten Mann hält: einen Papst und einen Kaiser. Beide sind deutlich kleiner als sie selbst.

Die Imperia ist eine satirische Anspielung auf das Konstanzer Konzil und die Machtspiele der Kirche. Nicht alle waren von der freizügigen Darstellung begeistert, als die Statue aufgestellt wurde. Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt, und die Imperia gehört zu Konstanz wie der Seerhein. Bei Touristen ist sie ein beliebtes Fotomotiv, auch wenn man sie bei strahlendem Sonnenschein gegen das Licht nur als Silhouette erwischt.

Das Konzilgebäude am Hafen, ein ehemaliges Kauf- und Lagerhaus aus dem 14. Jahrhundert, erinnert ebenfalls an die große Zeit des Konzils. Der mächtige Bau mit seinem markanten Zinnenkranz diente damals als Versammlungsort. Heute finden hier Kongresse und Veranstaltungen statt. Die Innenräume sind allerdings nur bei Führungen oder Events zugänglich.

Leben an der Grenze

Das Zusammenleben mit Kreuzlingen auf der Schweizer Seite prägt Konstanz in vielerlei Hinsicht. Früher, zu Zeiten des Eisernen Vorhangs und dann wieder während der Flüchtlingskrise, war die Grenze streng bewacht. Heute gehört sie zu den entspanntesten Grenzen Europas – zumindest fühlt es sich so an.

Du kannst problemlos von Konstanz nach Kreuzlingen spazieren, etwa entlang der Seestraße oder durch den Seeburgpark, der sich auf beiden Seiten der Grenze erstreckt. Kleine Grenzsteine markieren den Verlauf, mehr nicht. Manche Häuser stehen direkt auf der Grenze, sodass das Wohnzimmer in Deutschland und die Küche in der Schweiz liegt. Was kompliziert klingt, ist für die Bewohner längst Alltag.

Die Grenze hat auch praktische Auswirkungen: In Kreuzlingen ist vieles teurer, dafür sind die Löhne höher. Konstanzer kaufen gern in Deutschland ein, Kreuzlinger tanken oft auf deutscher Seite. Manche Konstanzer arbeiten in der Schweiz und pendeln täglich über die unsichtbare Grenze. Es ist ein bisschen wie in einer gemeinsamen Stadt – nur eben mit zwei verschiedenen Währungen, Steuersystemen und Ladenöffnungszeiten.

Seerhein und Insel Mainau

Der Seerhein, der Konstanz durchfließt, ist mehr als nur ein Verbindungsstück zwischen Ober- und Untersee. Er ist Lebensader der Stadt, Naherholungsgebiet und landschaftliches Kleinod zugleich. An seinen Ufern lässt sich herrlich spazieren oder radeln, im Sommer sieht man Schwimmer, die sich im kühlen Wasser treiben lassen.

Auf dem Seerhein liegen mehrere kleine Inseln. Die bekannteste ist die Dominikanerinsel, auch Insel genannt, die lange Zeit als Quartier für Arbeiter diente. Heute ist sie ein ruhiges Wohngebiet mit villenartigen Häusern und altem Baumbestand.

Ein paar Kilometer vor Konstanz, schon im Überlinger See, liegt die berühmte Insel Mainau. Die "Blumeninsel" gehört zwar verwaltungstechnisch nicht zu Konstanz, ist aber in wenigen Minuten per Schiff oder über eine Brücke zu erreichen. Im Besitz der gräflichen Familie Bernadotte verwandelt sich die 45 Hektar große Insel jedes Jahr in ein Meer aus Blüten: Tulpen im Frühjahr, Rosen im Sommer, Dahlien im Herbst. Das barocke Schloss, die Orangerie und das Schmetterlingshaus ziehen Hunderttausende Besucher an. Wer die Massen meiden will, kommt am besten früh morgens oder am späten Nachmittag.

Uni-Stadt mit jungem Flair

Konstanz ist Universitätsstadt, und das merkt man. Rund 11.000 Studierende prägen das Stadtbild, besonders rund um die Hochschulen und in der Altstadt. Die Universität Konstanz, 1966 gegründet, zählt zu den renommierten Einrichtungen Deutschlands und wurde mehrfach als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. Der Campus liegt etwas außerhalb auf dem Gießberg, mit Blick über den See – ein Standort, um den andere Unis die Konstanzer beneiden.

Das studentische Leben spielt sich vor allem in der Altstadt ab. Cafés, Kneipen und kleine Restaurants reihen sich aneinander. Im Sommer sitzen die Leute draußen, am Stephansplatz oder am Obermarkt, und das Treiben geht bis spät in die Nacht. Konstanz hat dadurch eine Lebendigkeit, die man in vielen anderen Bodenseestädten vermisst.

Daneben gibt es die Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, kurz HTWG. Auch sie trägt zum akademischen Profil der Stadt bei. Zusammen sorgen beide Hochschulen dafür, dass Konstanz jung und weltoffen bleibt – ein wohltuender Kontrast zur oft beschaulichen Bodensee-Idylle.

Kulinarik zwischen deutscher Tradition und Schweizer Einfluss

Die Konstanzer Gastronomie ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Vom gutbürgerlichen Wirtshaus über internationale Küche bis zu gehobenen Restaurants ist alles dabei. Fisch spielt naturgemäß eine große Rolle: Felchen, Zander und Saiblinge kommen frisch aus dem See auf den Tisch. Klassisch zubereitet, gebraten oder als Filet, dazu Kartoffeln oder schwäbische Spätzle – so isst man hier gern.

Aber Konstanz hat auch türkische, italienische, asiatische und vegane Restaurants. In der Altstadt reihen sich Lokale dicht an dicht, manche mit Blick auf den Hafen, andere versteckt in Hinterhöfen. Wer die Schweizer Nähe nutzen möchte, spaziert einfach rüber nach Kreuzlingen und probiert dort ein Fondue oder Raclette – schmeckt auf der anderen Seite der Grenze halt doch ein bisschen anders.

Auf dem Wochenmarkt am Stephansplatz, der mittwochs und samstags stattfindet, gibt's regionale Produkte: Äpfel aus dem Thurgau, Käse aus dem Allgäu, Gemüse von den umliegenden Höfen. Der Markt ist Institution und Treffpunkt zugleich, hier kommt man ins Gespräch, erfährt Neuigkeiten und deckt sich mit frischen Zutaten ein.

Praktisches für den Besuch

Konstanz erreichst du mit der Bahn, wobei die Anbindung nicht ganz so ideal ist, wie man sich das wünschen würde. Aus Richtung Norden fährst du über Radolfzell, aus der Schweiz kommst du von Zürich über Kreuzlingen. Der Bahnhof liegt zentrumsnah, von dort sind es nur wenige Minuten zu Fuß in die Altstadt.

Wer mit dem Auto anreist, sollte sich auf die Parkplatzsuche einstellen. Die Altstadt ist weitgehend verkehrsberuhigt, Parkhäuser gibt es mehrere, aber gerade im Sommer sind sie oft voll. Eine Alternative ist das Park-and-Ride-System am Stadtrand.

Für Radfahrer ist Konstanz ideal. Der Bodensee-Radweg führt direkt durch die Stadt, und rund um den See lässt sich wunderbar in die Pedale treten. Konstanz selbst ist flach und übersichtlich, ein Fahrrad ist hier das perfekte Fortbewegungsmittel.

Übernachten kannst du in Hotels aller Kategorien, von der einfachen Pension bis zum Vier-Sterne-Haus am Seeufer. Wer es zentral mag, sucht sich was in der Altstadt oder Hafennähe. Etwas günstiger und ruhiger sind Unterkünfte in den Außenbezirken oder gleich drüben in Kreuzlingen – wobei du dann natürlich in der Schweiz bist.

Die beste Reisezeit hängt davon ab, was du vorhast. Im Sommer ist am meisten los, die Stadt quillt über vor Touristen, dafür herrscht mediterranes Flair. Frühling und Herbst sind ruhiger und oft angenehmer, zumal das Wetter am Bodensee auch dann noch mild sein kann. Im Winter hat Konstanz seinen ganz eigenen Charme, vor allem rund um die Weihnachtszeit, wenn die Altstadt festlich geschmückt ist.

Ausflüge in die Umgebung

Von Konstanz aus lassen sich zahlreiche Ziele am Bodensee bequem erreichen. Die Fähre nach Meersburg bringt dich in gut 15 Minuten auf die andere Seite des Sees. Meersburg mit seiner mittelalterlichen Burg und dem steilen Ortskern ist ein Klassiker unter den Bodensee-Städtchen.

Mit dem Schiff erreichst du auch Überlingen, Lindau oder Bregenz. Die Bodensee-Schifffahrt ist nicht nur praktisch, sondern auch ein Erlebnis für sich – bei schönem Wetter gleitet man über den See, im Hintergrund die Alpen, auf dem Deck weht die Brise.

Wer lieber an Land bleibt, kann ins nahe Hinterland fahren. Der Hegau mit seinen markanten Vulkankegeln, etwa dem Hohentwiel bei Singen, ist ein lohnender Abstecher. Auch die Insel Reichenau, UNESCO-Weltkulturerbe mit ihren romanischen Kirchen und dem Gemüseanbau, liegt quasi vor der Haustür.

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