Es beginnt alles beim Bäcker. Wer am Bodensee in den Supermarkt geht und Aufbackbrötchen holt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren, oder zumindest über sein Mittagessen. Wir reden hier über eine Region, die das Backhandwerk noch ernst nimmt. Auf der deutschen Seite, besonders Richtung Oberschwaben und Linzgau, kommst du an der "Seele" nicht vorbei. Das ist kein spiritueller Zustand, sondern ein längliches Gebäck aus Dinkel- und Weizenmehl, das eine fast schon unverschämt hohe Feuchtigkeit im Inneren besitzt. Außen muss es krachen, wenn man drauf beißt. Echte Seelen sind handgeformt, krumm und schief und großzügig mit grobem Salz und Kümmel bestreut. Manche mögen den Kümmel runterkratzen – Anfängerfehler. Der gehört dazu wie das Wasser in den See.
Spannend wird es, wenn man die Rheinseite wechselt. In Konstanz gibt es den "Knauzen". Ein pummeliges Brötchen, das ursprünglich aus fehlerhaftem Teig entstand und heute Kultstatus genießt. Der Teigling wird bei extremer Hitze "geschossen", also in den Ofen geworfen. Das Ergebnis ist ein urwüchsiger Geschmack, leicht rauchig, den man so schnell nicht vergisst. Kauf davon zwei mehr, die werden im Rucksack nicht so schnell trocken wie ein normales Baguette.
Stinkt gewaltig, schmeckt grandios: Die Käsefrage
Ein Picknick ohne Käse ist am Bodensee rechtlich zwar erlaubt, aber moralisch fragwürdig. Wir befinden uns in direkter Nachbarschaft zu einigen der besten Käsereien der Welt. Der Blick muss hier zwangsläufig über die Grenze in die Schweiz gehen, genauer gesagt in den Thurgau und Richtung Appenzell. Der "Appenzeller" ist der Klassiker, sicher. Aber such mal nach einem gut gereiften "Thurgauer Tilsiter". Der Rote. Er hat eine Würze, die in der Nase brennt und auf der Zunge einen fast schon fleischigen Umami-Geschmack hinterlässt. Transporttipp: Pack ihn in eine wirklich dichte Dose. Wenn die Sonne auf den Rucksack knallt, riecht sonst deine ganze Wechselwäsche nach Käsereifungskeller.
Alternativ lohnt der Abstecher nach Vorarlberg. Der dortige Bergkäse, oft direkt von kleinen Sennereien im Bregenzerwald bezogen, hat eine kristalline Struktur im Teig, die beim Kauen herrlich knirscht. Das sind Eiweißkristalle, Zeichen langer Reifung, kein Sand. Je älter, desto besser ("räss", wie der Vorarlberger sagen würde). Ein Stück davon, grob mit dem Taschenmesser abgesäbelt, braucht keine Butter drunter.
Wurstwaren und der Senf-Fauxpas
Fleischliebhaber greifen zum Landjäger. Das ist der Energieriegel des Wanderers. Eckig gepresst – ein genialer Einfall, damit die Wurst nicht vom schrägen Biertisch rollt – und so fest, dass man sie notfalls als Hering für das Zelt benutzen könnte. Spaß beiseite, ein Paar Landjäger vom lokalen Metzger hält ewig und liefert das nötige Salz, das man beim Hochlaufen zum Pfänder ausgeschwitzt hat.
Ein heikles Thema ist die St. Galler Bratwurst. Falls du planst, auf einer der vielen Grillstellen am Seeufer zu grillen (und davon gibt es reichlich), dann besorge dir diese weiße Wurst aus Kalbfleisch und Milch. Aber, und das ist jetzt überlebenswichtig für deine soziale Akzeptanz in der Ostschweiz: Iss sie niemals, unter keinen Umständen, mit Senf. Ein St. Galler würde eher verhungern. Die Wurst gilt als so fein abgeschmeckt, dass Senf als Beleidigung des Metzgers gewertet wird. Einfach "Bürli" (Brötchen) dazu, fertig.
Vitamine aus Mostindien und der Insel
Um das schlechte Gewissen wegen der ganzen Wurst und dem Käse zu beruhigen, braucht der Korb Frisches. Die Insel Reichenau ist quasi der Gemüsegarten Süddeutschlands. Tomaten, Gurken, Radieschen – hol das Zeug direkt an den kleinen Ständen am Straßenrand, wo man das Geld noch in eine Kasse des Vertrauens wirft. Die Tomaten schmecken hier tatsächlich nach Tomate und nicht nach rotem Wasser.
Auf der Schweizer Seite nennt man den Thurgau liebevoll "Mostindien". Nicht wegen des Klimas, sondern wegen der schieren Masse an Apfelbäumen. Ein knackiger Apfel gehört in jede Vesperdose. Er putzt die Zähne und löscht den Durst. Wer nicht kauen will, packt eine Flasche Süßmost ein, am besten naturtrüb. Der sieht zwar manchmal aus wie Pfützenwasser, schmeckt aber wie der Herbst im Glas.
Die flüssige Begleitung: Rebe gegen Hopfen
Bier geht immer, besonders ein "Zäpfle" aus dem nahen Schwarzwald oder ein lokales "Ruppaner" aus Konstanz. Aber stilvoller ist der Wein. Der Müller-Thurgau wurde hier gezüchtet (der Herr Müller kam aus Tägerwilen im Thurgau) und ist der unkomplizierte Begleiter für draußen. Er ist säurearm, blumig und steigt einem in der Mittagshitze nicht sofort zu Kopf, wenn man es bei einem "Viertele" belässt. Ein Hagnauer oder Meersburger Müller-Thurgau, gut gekühlt aus einer Thermomanschette, ist unschlagbar, wenn man die Füße im Wasser hat.
Für die Rotweintrinker bietet sich der Blauburgunder (Pinot Noir) an, der besonders im Schaffhauser Blauburgunderland prächtig gedeiht. Er ist oft leichter und fruchtiger als seine schweren französischen Verwandten und passt daher erstaunlich gut zur rustikalen Brotzeit.
Das richtige Werkzeug und die Tücken der Grenze
Bevor wir zu den Orten kommen, ein Wort zur Logistik. Ein Schweizer Taschenmesser ist kein Klischee, es ist Notwendigkeit. Mindestens mit Korkenzieher und einer Klinge, die lang genug ist, um das Brot nicht zu zerreißen. Servietten sind für Amateure, ein Geschirrtuch erfüllt denselben Zweck, dient als Unterlage und kann zum Einwickeln der Reste genutzt werden.
Und aufgepasst: Der Bodensee ist Grenzgebiet. Wenn du in der Schweiz einkaufst und nach Deutschland rüberfährst (oder umgekehrt), gelten Zollbestimmungen. Besonders beim Fleisch (derzeit 1 kg pro Person frei) und Alkohol verstehen die Zöllner keinen Spaß, auch wenn sie meistens nett winken. Nichts verdirbt das Picknick schneller als eine Nachverzollung der Salami.
Wo die Decke liegen sollte: Die besten Plätze
Jetzt hast du den Korb voll, aber wohin damit? Mainau? Vergiss es. Zu voll, zu teuer, zu viele Blumen, auf die man nicht treten darf. Wir suchen Ruhe.
Der Seerücken (Schweiz)
Oberhalb von Steckborn oder Mammern auf dem Seerücken hast du Plätze, bei denen dir fast die Spucke wegbleibt. Du sitzt zwischen Kuhweiden, schaust über den Untersee auf die Halbinsel Höri und hast absolute Stille. Nur das ferne Tuckern der Kursschiffe dringt herauf. Hier oben gibt es oft einfache Holzbänke, die völlig ausreichen. Der Vorteil: Du musst dir den Platz nicht mit drei Busladungen Tagesausflüglern teilen.
Die Basilika Birnau (Deutschland)
Zugegeben, die Wallfahrtskirche Birnau ist kein Geheimtipp. Aber die meisten Touristen rennen in die Kirche, machen ein Foto vom "Honigschlecker" und verschwinden wieder. Der Trick ist, sich in die Weinberge unterhalb der Kirche zu begeben. Dort führen Wirtschaftswege durch, und es finden sich immer wieder Mauervorsprünge oder Wiesenstücke. Der Blick über die Reben auf den Überlinger See ist postkartenreif. Wenn dann noch die Abendsonne das Barockrosa der Kirche anstrahlt, schmeckt der Wein gleich doppelt so gut.
Das Rheindelta (Österreich)
Wer es flach und wassernah mag, fährt ins Rheindelta bei Fußach/Hard. Das Naturschutzgebiet ist riesig. Hier gibt es Lagunen, Schilfgürtel und Sandstrände, die fast schon mediterran wirken. Aber Vorsicht: Mückenschutz nicht vergessen. Die Biester wissen auch, dass es hier schön ist. Such dir einen Platz auf den Dämmen oder direkt am Kiesufer. Das Treibholz, das der Rhein aus den Alpen mitbringt, eignet sich hervorragend als Rückenlehne.
Bodanrück (Deutschland)
Der "Bodanrück" ist der Bergrücken, der den Überlinger See vom Gnadensee trennt. Wenn du von Litzelstetten Richtung Dingelsdorf fährst und dann zu Fuß in den Wald abbiegst (z.B. Richtung Marienschlucht, auch wenn die Schlucht selbst oft gesperrt ist), findest du Steilufer-Plätze, die wild und rau sind. Hier unten am Wasser ist der See oft dunkler, geheimnisvoller. Ein perfekter Ort für ein spätes Frühstück, wenn der Nebel sich gerade lichtet.