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Die Bodensee-Schifffahrt: Alle Fähr- und Kursverbindungen im Überblick

Wer den Bodensee wirklich verstehen und vor allem effizient queren will, muss aufs Wasser. Hier erfährst du, welches Schiff dich wann wohin bringt, warum der Katamaran kein Ausflugsdampfer ist und wo sich die teure Fahrradkarte wirklich lohnt.

Übernachten & Mobilität
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Zwischenablage

Die schwimmenden Brücken: Fähren für den Alltag

Man muss kein Romantiker sein, um die Bodensee-Schifffahrt zu schätzen. Oft reicht purer Pragmatismus. Wer jemals im Hochsommer versucht hat, mit dem Auto von Meersburg nach Konstanz zu kommen, weiß, wovon die Rede ist. Die Straße um den See ist ein Nadelöhr, ein Geduldsspiel aus Blech und Abgasen. Die Lösung schwimmt und brummt tiefbasig vor sich hin. Die Autofähre Konstanz-Meersburg ist weit mehr als eine touristische Attraktion; sie ist die Hauptschlagader der Region, liebevoll auch mal „Staustaubsauger“ genannt. Sechs Schiffe pendeln hier im Takt, der so verlässlich ist wie ein Schweizer Uhrwerk, obwohl wir uns hier technisch gesehen auf baden-württembergischem Terrain bewegen. Tagsüber legen die Pötte alle 15 Minuten ab, nachts immerhin noch stündlich. Du rollst drauf, ziehst die Handbremse an, steigst aus und hast genau genug Zeit für eine Currywurst im Bordbistro oder ein schnelles Foto vom Alpenpanorama, bevor die Lautsprecherdurchsage dich schon wieder zurück ins Fahrzeug zitiert. Die Überfahrt dauert kaum eine Viertelstunde. Effizienz pur.

Ganz anders tickt die Uhr auf der Verbindung Friedrichshafen-Romanshorn. Hier quert man nicht nur den See an seiner breitesten Stelle, sondern wechselt auch das Land. Die deutschen Schiffe der BSB und die der Schweizer Kollegen teilen sich die Arbeit. Da die Strecke gut 13 Kilometer misst, dauert die Überfahrt eine entspannte Dreiviertelstunde. Das Entschleunigungspotenzial ist hier deutlich höher als auf dem hektischen Kurzstrecken-Pendel bei Meersburg. Viele LKW-Fahrer nutzen das für ihre Zwangspause, und du solltest das auch tun: Der Kaffee an Bord ist meistens trinkbar, und der Blick reicht bei Föhnwetter bis zum Säntis-Massiv, das fast unwirklich nah hinter dem Schweizer Ufer aufzuwachsen scheint. Abfahrt ist in der Regel stündlich. Ein kleiner Tipp am Rande: Achte darauf, ob du auf der „MF Euregia“ landest oder einem der älteren Modelle. Die Euregia ist ein riesiger Kasten, praktisch, aber so charmant wie ein Parkhaus.

Der Katamaran: Pendeln mit Speed

Wenn es schnell gehen muss und du das Auto stehen lassen kannst, gibt es zwischen Konstanz und Friedrichshafen eine Option, die aus dem Rahmen fällt: den Katamaran. Die drei Schiffe – Constanze, Fridolin und Ferdinand – sind keine gemütlichen Ausflugsdampfer. Sie sind die S-Bahn auf dem Wasser. Mit ziemlichem Getöse und Gischt preschen sie im Stundentakt über den Obersee. Die Fahrtzeit beträgt 52 Minuten, was konkurrenzlos ist, wenn man bedenkt, dass die Bahn einen riesigen Umweg über Radolfzell fährt und das Auto im Stau steht.

Im Inneren erinnert wenig an Seefahrer-Romantik; es sieht eher aus wie in einem Flugzeug. Reihenbestuhlung, Tische für Laptops, WLAN. Hier sitzen Berufspendler, die morgens mit ihrem Kaffeebecher auf den Wellengang starren, und Shopping-Touristen. Aber Vorsicht: Bei starkem Sturm oder heftigem Wellengang kann die Fahrt im Katamaran zur Herausforderung für empfindliche Mägen werden. Das Ding liegt zwar stabil, schlägt aber bei Wellen recht hart auf. Das „Pock-Pock-Geräusch“, wenn die zwei Rümpfe durchs Wasser schneiden, ist unverwechselbar.

Die Weiße Flotte: Der Klassiker auf dem Obersee

Jetzt kommen wir zu dem Teil, den man klassischerweise mit „Bodensee-Urlaub“ verbindet. Die VSU (Vereinigte Schifffahrtsunternehmen für den Bodensee und Rhein) ist ein Zusammenschluss der deutschen, österreichischen und schweizerischen Betriebe. Das klingt bürokratisch, ist für dich aber Gold wert, weil es ein durchgängiges Streckennetz ermöglicht. Von Ostern bis in den späten Oktober hinein ziehen die weißen Schiffe ihre Bahnen. Das Rückgrat bildet der Längsverkehr von Bregenz über Lindau, Wasserburg, Friedrichshafen und Meersburg bis nach Konstanz.

Man sollte sich hier keinen Illusionen hingeben: Das ist „Slow Travel“ in Reinform. Wer von Bregenz nach Konstanz schippert, ist gut dreieinhalb bis vier Stunden unterwegs. Das ist keine Transportlösung, das ist ein Tagesprogramm. Aber was für eins. Die Hafeneinfahrt in Lindau, vorbei am bayerischen Löwen und dem Leuchtturm, hat etwas fast Mediterranes, auch wenn das Wasser an manchen Tagen eher stahlgrau als azurblau wirkt. Interessant ist die Taktung: Die Schiffe fahren im Zickzackkurs die Ufer an. Wenn du in Hagnau zusteigst, hörst du das typische Rumpeln der Landebrücke, das Kettenrasseln beim Festmachen und riechst diesen ganz speziellen Mix aus altem Schiffsdiesel, Sonnencreme und Seewasser.

Ein Kuriosum für Landratten ist der Ticketkauf. Es gibt Zonen, aber oft ist es einfacher, dem Kassierer an der Lände einfach das Ziel zu nennen, statt den komplexen Tarifplan zu studieren. Und ja, die Preise sind gesalzen. Eine Familie ist für eine längere Rundfahrt schnell so viel los wie für ein ordentliches Abendessen.

Der Überlinger See: Der Finger im Nordwesten

Geografisch gesehen ist der Überlinger See wie ein Finger, der nach Nordwesten zeigt. Hier ist alles etwas enger, die Ufer fallen steiler ab, und das Wasser wirkt oft dunkler. Die Hauptroute verbindet Konstanz mit der Blumeninsel Mainau, Unteruhldingen (Pfahlbauten!) und Überlingen. Die Frequenz ist hier im Sommer extrem hoch, was vor allem an der Mainau liegt. Die Schiffe spucken dort Touristenmassen aus, die sich dann zwischen den Tulpenbeeten verteilen.

Wenn du es etwas ruhiger magst, fahr weiter bis Bodman oder Ludwigshafen am Ende des Sees. Hierhin verirren sich weniger Tagesgäste. Die Schifffahrt auf dem Überlinger See hat ihren eigenen Charme, weil die Distanzen kürzer sind. Man hüpft förmlich von Ort zu Ort. Ein Stopp in Dingelsdorf oder Wallhausen fühlt sich an wie ein Besuch in einer anderen Zeit, weit weg vom Trubel in Meersburg. Übrigens: Wer sein Fahrrad mitnehmen will, zahlt extra. Auf den großen Kursschiffen ist das meist kein Problem, aber an sonnigen Sonntagen stapeln sich die Drahtesel auf dem Achterdeck so dicht, dass man Angst um den Lack haben muss.

Der Untersee und Rhein: Wo der Kapitän schwitzen muss

Westlich von Konstanz verändert der See sein Gesicht komplett. Der Untersee ist flach, durchzogen von Schilfgürteln und wirkt intimer als der weite Obersee. Die Schiffe der URh (Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein) müssen hier Schwerstarbeit leisten, zumindest navigatorisch. Schon die Durchfahrt unter der Rheinbrücke in Konstanz ist Millimeterarbeit – zumindest sieht es für den Laien so aus, wenn die Aufbauten und Antennen fast die Brückenunterseite kitzeln. Wer oben auf dem Sonnendeck steht, zieht da unwillkürlich den Kopf ein.

Die schönste Flussfahrt Europas, so sagt man hier gern etwas unbescheiden, führt von Stein am Rhein nach Schaffhausen. Und tatsächlich: Wenn das Schiff bei Stein am Rhein den See verlässt und in den Hochrhein gleitet, wird es magisch. Das Wasser fließt hier merklich, es ist glasklar, oft sieht man den Grund. Die URh-Schiffe sind flacher gebaut, um unter den Brücken durchzupassen. Die Fahrt endet kurz vor dem Rheinfall in Schaffhausen. Das ist kein reines Transportmittel, das ist Erlebniskino. Die Verbindung läuft allerdings saisonal stark eingeschränkt; im Winter ist hier fast tote Hose. Einheimische lieben diese Strecke, um am Wochenende mal „rauszukommen“. Man sitzt bei einem „Viertele“ Wein an Deck, schaut auf die vorbeiziehenden Fachwerkhäuser von Diessenhofen und vergisst die Zeit.

Spezialitäten: Dampf und Winter

Neben dem Linienverkehr gibt es die Exoten. Das Highlight schlechthin ist die „Hohentwiel“. Ein echter, restaurierter Schaufelraddampfer, der aussieht, als wäre er direkt aus einem kaiserlichen Gemälde gefallen. Messing, Teakholz, weißer Rauch. Wenn die Hohentwiel in einen Hafen einläuft und ihr tiefes Dampfhorn ertönen lässt, dreht sich jeder um. Das ist keine Linie, das sind Eventfahrten – Jazzbrunch, Gourmet-Dinner, solche Sachen. Teuer, aber jeden Cent wert, wenn man auf historische Technik steht.

Und was passiert im Winter? Lange Zeit wurde der Bodensee ab Oktober in den Winterschlaf geschickt. Inzwischen haben die Betriebe gemerkt, dass der See auch bei Nebel und drei Grad plus eine mystische Aura hat. Die Fähren fahren ohnehin durch, und der Katamaran auch (Pendler nehmen keine Rücksicht auf Jahreszeiten). Aber auch die Ausflugsschiffe bieten jetzt Adventsfahrten oder Silvester-Events an. Es hat etwas sehr Eigenes, wenn man in der warmen Kabine sitzt, draußen die graue Suppe wabert und man nur schemenhaft die Lichter von Konstanz oder Bregenz erkennt. Die Einheimischen, die Seehasen, nutzen diese Zeit, um ihren See wieder für sich zu haben.

Ein Wort zu den Tickets und der Bodensee Card Plus

Bevor du an Bord gehst, noch ein praktischer Rat: Das Tarifsystem ist nicht intuitiv. Es ist ein Flickenteppich aus verschiedenen nationalen Anbietern, die zwar kooperieren, aber ihre Eigenheiten bewahrt haben. Wer viel fahren will (und auch Museen besucht), sollte sich die Bodensee Card Plus ansehen. Damit sind die Linienschiffe der VSU inklusive (außer Katamaran und Autofähre). Für Einzelfahrten gilt: Hin und zurück ist meist billiger als zwei einzelne Tickets. Und wer auf der deutschen Seite mit der Bahn anreist (bodo-Verkehrsverbund), kriegt oft Kombi-Angebote.

Manchmal steht man am Ticketschalter in Konstanz und fragt sich, warum die kurze Fahrt zur Mainau so viel kostet. Aber sobald der Motor vibriert, das Wasser am Rumpf gurgelt und der Wind die Haare durcheinanderbringt, ist der Preis meist vergessen. Der Bodensee vom Wasser aus ist einfach eine andere Welt als vom Ufer aus.

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