Es ist ein klassisches Dilemma. Man steht zu Hause, den Kofferraum offen, und stapelt Tetris-artig Koffer, Wanderstiefel und vielleicht noch das aufblasbare Stand-up-Paddle-Board hinein. Das Auto verspricht Freiheit. Spontanität. Doch am Bodensee, diesem geographischen Nadelöhr zwischen drei Ländern, wandelt sich diese Freiheit schnell in Frust. Die Topografie ist unbarmherzig: Auf der einen Seite Wasser, auf der anderen Hügel oder Berge, und dazwischen schlängeln sich Straßen, die oft noch aus einer Zeit stammen, als Kutschen das Maß der Dinge waren. Wer in der Hauptsaison – also gefühlt von Ostern bis Oktober – plant, die Uferstraße einfach mal "abzufahren", braucht Mordsgeduld. Oft sieht man vom See nämlich nichts außer dem Heck des Vordermanns und gelegentlich ein Stückchen blaues Wasser zwischen Leitplanken und Hotelbauten.
Andererseits: Wer in einem kleinen Dorf im Hinterland des Thurgau oder im Linzgau wohnt, ist ohne fahrbaren Untersatz aufgeschmissen. Der Bus kommt dort, wenn man Glück hat, einmal die Stunde, am Wochenende wird es noch dünner. Die ehrliche Antwort lautet also: Zum Anreisen und für Ausflüge ins tiefe Hinterland ist das Auto top. Für das "Hopping" zwischen den Hafenstädten ist es hingegen ein Klotz am Bein, den man teuer bezahlen muss. Strategie ist hier alles.
Konstanz: Das Nadelöhr am Trichter
Fangen wir mit dem Endgegner an: Konstanz. Die größte Stadt am See hat eine geographische Lage, die Stadtplaner weinen lässt. Eingezwängt zwischen Ober- und Untersee, direkt an der Schweizer Grenze, muss fast jeder Verkehr durch enge Schneisen. Wer an einem verregneten Samstag versucht, ins "Lago" Shopping-Center zu fahren, verbringt mehr Zeit im Parkhaus-Stau als in den Geschäften. Die digitalen Anzeigetafeln am Ortseingang sind keine freundlichen Hinweise, sondern bittere Realität. Wenn da "Besetzt" steht, dann ist da auch besetzt. Punkt.
Schlau ist, wer das gar nicht erst versucht. Der Parkplatz "Döbele" liegt zwar zentral, ist aber oft rappelvoll und man kurvt ewig umher. Viel entspannter ist das Konzept Park & Ride (P+R). Der Platz "Bodenseeforum" oder die Areale an der Byk-Gulden-Straße sind Gold wert. Von dort pendeln Busse im Minutentakt in die Altstadt. Man zahlt eine Pauschale, die oft günstiger ist als zwei Stunden im Parkhaus am Hafen, und das Busticket ist für alle Insassen inklusive. Einheimische meiden die Innenstadt mit dem Auto wie der Teufel das Weihwasser. Und noch ein Detail für Fahrer von Dieselfahrzeugen oder älteren Benzinern: Konstanz hat eine Umweltzone. Ohne grüne Plakette an der Windschutzscheibe riskiert man ein Bußgeld, und die Politessen hier sind auf Zack.
Die Autofähre: Romantik vs. Realität
Die Fährverbindung zwischen Konstanz und Meersburg ist legendär. Tagsüber und nachts pendeln die Schiffe unermüdlich hin und her und ersparen einem gut 50 Kilometer Umweg um den Überlinger See. Das klingt fantastisch und ist es auch – meistens. Wenn man als Fußgänger an Bord geht, spürt man den Wind, riecht eine Mischung aus Dieselabgasen und Seewasser und hat kurz Urlaubsfeeling. Mit dem Auto in der Schlange zu stehen, ist eine andere Nummer. An heißen Juli-Wochenenden staut sich die Blechkolonne in Meersburg gerne mal bis weit die steile B33 hinauf.
Man steht in der prallen Sonne, der Motor läuft wegen der Klimaanlage (schlecht fürs Gewissen), und man sieht zu, wie drei Fähren ablegen, bevor man selbst an der Reihe ist. Der Preis für die Überfahrt ist zudem nicht ohne. Wer nur schnell rüber will, um ein Eis zu essen, zahlt für Hin- und Rückfahrt mit PKW und zwei Personen schnell so viel wie für ein ordentliches Abendessen. Der Tipp: Auto in Meersburg am "Töbele" (ja, klingt fast wie Döbele, ist aber drüben) stehen lassen und zu Fuß auf die Fähre. In Konstanz kommt man in Staad an, direkt beim Bus der Linie 1, der einen ins Zentrum schaukelt.
Lindau und die Insel-Falle
Weiter im Osten, in Bayern, liegt Lindau. Die historische Altstadt schwimmt malerisch im See. Eine Brücke führt hinüber. Und genau da liegt der Hund begraben. Viele Touristen denken, sie könnten "mal eben" vor dem Alten Rathaus parken. Vergessen Sie's. Die Insel ist für den Individualverkehr zwar nicht komplett gesperrt, aber Parkplätze sind Mangelware und astronomisch teuer. Die Gassen sind eng, voller Fußgänger und Radfahrer, die wenig Verständnis für suchende Autos haben, die sich im Schritttempo durchschieben.
Die Bayern haben das Problem pragmatisch gelöst: Riesige Auffangparkplätze auf dem Festland (P1 Blauwiese ist der bekannteste). Von dort geht es mit dem Shuttlebus oder, für die, die sich die Beine vertreten wollen, über den Fußweg auf die Insel. Das spart Nerven. Ein wichtiger Hinweis für die Anreise: Wer über die A96 kommt und vielleicht "aus Versehen" durch den Pfändertunnel rutscht, ist ruckzuck in Österreich. Und dort versteht die ASFINAG keinen Spaß, wenn keine Vignette an der Scheibe klebt. Die "Korridorvignette", die es früher mal gab, ist Geschichte – jetzt braucht es das Pickerl, auch für kurze Stücke auf der Autobahn.
Österreich und die Schweiz: Andere Länder, andere Sitten
In Bregenz ist die Situation ähnlich prekär, vor allem wenn die Festspiele laufen. Dann verwandelt sich die Stadt in einen einzigen Parkplatzsuchverkehr. Die Parkhäuser am See sind modern, aber an Aufführungstagen schon am frühen Nachmittag dicht. Wer schlau ist, parkt etwas außerhalb oder kommt gleich mit dem Zug. Der Bahnhof Bregenz liegt so nah an der Seebühne, dass man fast vom Gleis in den Zuschauersaal fallen könnte.
Rüber in die Schweiz: Hier wird Autofahren zur Disziplinübung. Die Eidgenossen sind bei Geschwindigkeitsübertretungen humorlos. Ein paar Kilometer zu schnell können das Urlaubsbudget ruinieren. Zudem sind Parkplätze fast überall kostenpflichtig, selbst der kleinste Schotterplatz am Waldrand hat oft eine Parkuhr. Man sollte immer Münzen dabei haben oder die entsprechenden Apps geladen haben (EasyPark oder Twint funktionieren oft). Dafür sind die Straßen in einem tadellosen Zustand. Schlaglöcher sucht man im Thurgau vergeblich.
Die wahren Helden: Katamaran, Seehas und Gästekarten
Gibt es Alternativen, die nicht nach Verzicht schmecken? Absolut. Der "Seehas" (eine S-Bahn auf der deutschen Seite) rattert zuverlässig zwischen Konstanz und Engen hin und her. Die Gleise verlaufen oft direkt am Ufer – eine Aussicht, für die man im Auto den Hals verrenken müsste. Auf der Schweizer Seite ist die "Seelinie" von Rorschach nach Kreuzlingen ein Traum für Bahnromantiker.
Noch besser ist der Weg übers Wasser. Der Katamaran verbindet Konstanz und Friedrichshafen im Stundentakt. Er ist schnell, pünktlich und man kann während der Fahrt einen Kaffee trinken, ohne bremsen zu müssen. Für Touristen ist die "Echt Bodensee Card" (deutsche Nordseite) oder die "Bodensee Card Plus" ein Rechenexempel wert. Oft ist der öffentliche Nahverkehr (Bus und Bahn) innerhalb der Zonen inklusive. Man steigt einfach ein und zeigt die Karte vor. Das Gefühl, am Stau auf der B31 vorbeizufahren, während man im klimatisierten Zug sitzt und auf den See schaut, hat eine ganz eigene Qualität von Schadenfreude.
Radfahren: Fluch und Segen zugleich
Zum Schluss noch ein Wort zu den Zweirädern. Der Bodensee-Radweg ist einer der beliebtesten Europas. Das bedeutet aber auch: Im Sommer herrscht hier Betrieb wie auf der A5 zur Rush Hour, nur ohne Blech. E-Biker, Rennradfahrer, Familien mit Anhängern und Wanderer teilen sich oft denselben schmalen Weg. Konflikte bleiben da nicht aus. Wer entspannt radeln will, sollte die Uferwege an Wochenenden zwischen 11 und 15 Uhr meiden oder auf Routen im Hinterland ausweichen.