Wenn man oben auf dem Pfänder steht und hinunterblickt, sieht der Bodensee aus wie eine einzige, riesige Badewanne. Das Wasser schwappt gemütlich von Bregenz nach Lindau und weiter bis Rorschach, kümmert sich herzlich wenig um nationale Hoheitsgebiete. Unten auf dem Asphalt sieht die Realität aber gänzlich anders aus. Das Dreiländereck ist ein politisches Kuriosum, ein Flickenteppich aus EU-Bürokratie und Schweizer Sonderwegen, der selbst Einheimische gelegentlich in den Wahnsinn treibt. Für Reisende ist das entscheidend zu wissen: Deutschland und Österreich gehören zur EU, die Schweiz nicht. Alle drei sind zwar im Schengen-Raum, was bedeutet, dass Personenkontrollen eigentlich der Vergangenheit angehören sollten – "eigentlich" ist hier das operative Wort. Denn der Zoll, also die Warenkontrolle, ist quicklebendig. Man steht also selten im Stau, weil Pässe gescannt werden, sondern weil jemand verdächtigt wird, zu viel günstiges deutsches Duschgel in den Thurgau zu schmuggeln.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, einfach so über eine Grenze zu spazieren oder zu radeln, an verwaisten Zollhäuschen vorbei, und doch genau zu wissen: Jetzt gelten andere Regeln. In Konstanz und Kreuzlingen verschwimmen die Städte fast nahtlos ineinander, getrennt oft nur durch eine unscheinbare Linie am Boden oder einen Maschendrahtzaun, der "Kunstgrenze" genannt wird. Trotz dieser Lässigkeit ist es ratsam, immer, wirklich immer, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass in der Tasche zu haben. Der Führerschein reicht als Grenzdokument nämlich nicht aus, ein Irrglaube, der sich hartnäckig hält wie Kaugummi am Schuh. Auch wenn man tagelang nicht kontrolliert wird – murphys Gesetz besagt, dass genau dann der nette Schweizer Grenzwächter winkt, wenn der Ausweis im Hotelzimmer auf dem Nachttisch liegt.
Das leidige Thema mit dem Pickerl
Autofahren rund um den See ist eine Wissenschaft für sich. Wer glaubt, "freie Fahrt für freie Bürger" gelte überall, wird schnell eines Besseren belehrt – und zwar zur Kasse gebeten. Fangen wir bei den Eidgenossen an: Die Schweiz kennt keine Gnade und keine Kurzzeit-Lösungen. Wer auf die Autobahn will (und das will man meistens, um schneller voranzukommen), braucht die Jahresvignette. Punkt. Es gibt keine Tages- oder Wochenoption. Das Ding kostet 40 Franken und muss kleben. Und zwar richtig. Nicht mit Tesafilm fixieren, um es später an den Kumpel weiterzugeben – das wird als Betrug gewertet und kostet ein Vielfaches. Seit einiger Zeit gibt es auch eine digitale E-Vignette, was das Gekratze an der Windschutzscheibe endlich obsolet macht. Aber Achtung: Wer nur kurz von Lindau nach St. Margrethen hüpft, zahlt den vollen Jahrespreis.
Österreich ist da etwas flexibler, aber nicht weniger kompliziert. Hier gibt es das berühmte "Pickerl" für 10 Tage, 2 Monate oder ein Jahr. Wer von Norden kommt und durch den Pfändertunnel will, brauchte früher zwingend eine Vignette. Das hat sich mittlerweile geändert: Die Strecke von der deutschen Grenze bis zur Ausfahrt Hohenems ist mautfrei! Das ist eine riesige Erleichterung für alle, die nur in den Bregenzerwald oder in die Schweiz transitieren wollen. Aber Vorsicht, wer die falsche Abfahrt nimmt und tiefer ins Land fährt, ist fällig. Die Kameras der ASFINAG sehen alles. Und in Deutschland? Da freut man sich über die freie Fahrt, ärgert sich aber über die oft verstopfte B31. Ein Tipp am Rande: Tempolimits in der Schweiz sind heilig. Wer 3 km/h zu schnell fährt, bekommt Post. Wer 20 km/h zu schnell ist, muss fast einen Kredit aufnehmen. Tempomat ist hier dein bester Freund.
Der Kampf um die Mehrwertsteuer
Ein Phänomen, das man besonders in Konstanz beobachten kann, ist der "Ausfuhrschein-Tourismus". Da die Schweiz ein Hochpreisland ist und Deutschland im direkten Vergleich oft wie ein Discounter wirkt, fallen an den Wochenenden Horden von Schweizern in die deutschen Grenzstädte ein. Sie kaufen alles: Windeln, Fleisch, Möbel, Drogerieartikel. Der Clou dabei ist die Rückerstattung der deutschen Mehrwertsteuer. Das führt zu absurden Szenen in den Läden, wo die Schlangen am "Service Point" oft länger sind als an der Kasse selbst. Wenn du als Deutscher in der Schweiz einkaufst (was bei Schokolade und Käse durchaus vorkommen soll), kannst du dir ab einem Warenwert von 300 Franken die Schweizer Mehrwertsteuer zurückholen. Das lohnt sich aber selten, da sie ohnehin viel niedriger ist als in Deutschland.
Für den normalen Urlauber ist das Spektakel eher ein anthropologisches Schauspiel. Man sieht Menschen mit bündelweise grünen Zetteln (die mittlerweile oft digitalisiert werden), die nervös auf Stempel warten. Falls du selbst in diesen Strudel gerätst: Plane Zeit ein. Viel Zeit. Besonders am Samstagvormittag ist der Grenzübergang Konstanz-Kreuzlingen ein Nadelöhr aus Blech und genervten Mienen.
Fleisch, Schnaps und die 300-Franken-Grenze
Jetzt wird es knifflig, denn hier tappen die meisten in die Falle. Was darf rein, was darf raus? Wenn du aus Deutschland oder Österreich in die Schweiz einreist, musst du wissen: Die Schweizer schützen ihre Landwirtschaft. Und wie! Die Freimenge für Fleisch liegt bei mageren 1 Kilogramm pro Person. Das beinhaltet alles Tierische, vom rohen Steak bis zur Bratwurst. Wer mehr dabei hat und erwischt wird, zahlt Zollgebühren, bei denen einem der Appetit vergeht – oft bis zu 17 oder 20 Franken pro Kilo Übermenge. Das Grillfest am Schweizer Ufer sollte also gut kalkuliert sein.
Alkohol ist ebenfalls reglementiert: 5 Liter bis 18% Vol. sind okay (Bier und Wein), aber bei Schnaps (über 18%) ist nach einem Liter Schluss. Alles darüber muss verzollt werden. Andersrum, bei der Rückreise in die EU, sind die Regeln die klassischen EU-Einreiseregeln aus Drittstaaten. Hier darf man zum Beispiel 200 Zigaretten einführen (in die Schweiz sind es 250). Besonders wichtig ist die Wertfreigrenze: Wer in die Schweiz reist, darf Waren für den privaten Gebrauch bis zu einem Gesamtwert von 300 Schweizer Franken mehrwertsteuerfrei einführen. Alles, was drüber ist, muss angemeldet werden. Das gilt pro Person, aber Achtung: Man kann den Wert eines einzelnen Gegenstandes nicht aufteilen. Ein Laptop für 500 Franken kann nicht auf zwei Personen "verteilt" werden – einer muss ihn voll verzollen.
Ein kleines Detail, das oft übersehen wird: Auch Butter und Rahm waren früher streng reglementiert. Das ist mittlerweile gelockert, aber bei Ölen und Fetten gibt es immer noch Obergrenzen (5 Liter). Man fragt sich manchmal schon, wer 5 Liter Olivenöl in den Urlaub mitschleppt, aber die Zöllner haben schon alles gesehen.
Die böse Roaming-Falle
Das Handy klingelt, eine SMS ploppt auf: "Willkommen in der Schweiz." Wer jetzt nicht aufpasst, für den wird es teuer. Da die Schweiz nicht zur EU gehört, greift die regulierte EU-Roaming-Verordnung hier nicht automatisch. Viele deutsche Mobilfunkverträge inkludieren die Schweiz mittlerweile netterweise ("Zone 1"), aber eben längst nicht alle. Und bei Prepaid-Karten ist es oft ein finanzielles Himmelfahrtskommando. Ein paar Megabyte Google Maps, ein kurzes Instagram-Video vom Rheinfall, und zack – 50 Euro weg. Das geht rasend schnell.
Das Gemeine am Bodensee ist zudem, dass die Netze stark in die Nachbarländer einstrahlen. Du kannst gemütlich an der Promenade im deutschen Friedrichshafen sitzen und plötzlich bucht sich dein Handy ins starke Schweizer Swisscom-Netz ein, weil der Sendemast über dem See so schön "leuchtet". Deaktiviere deshalb unbedingt das automatische Datenroaming oder die automatische Netzwahl, wenn du dich in Grenznähe aufhältst und keinen passenden Tarif hast. Es ist ein Klassiker, über den man sich schwarzärgern kann. Umgekehrt gilt für Schweizer in der EU meistens: Roaming ist teuer, es sei denn, man hat ein spezielles Abo. Ein "Reise-SIM" oder ein e-SIM Datenpaket (wie Airalo) für die Schweiz zu kaufen, ist für längere Aufenthalte oft die schlauere Wahl.
Bahn, Bus und das Velo
Wer das Auto stehen lässt (was am Bodensee sowieso oft die entspanntere Variante ist), muss sich mit den Tarifsystemen von DB, ÖBB und SBB auseinandersetzen. Hier gibt es aber einen echten Lichtblick: Das "Bodensee Ticket". Das ist eine Zonenkarte, die länderübergreifend für Bahn, Bus und teilweise Fähren gilt. Man kauft ein Ticket und fährt einfach rum, egal ob der Bus nun deutsch oder österreichisch ist. Das funktioniert erstaunlich gut und erspart einem das Studium von drei verschiedenen Tarifwabenplänen.
Für Radfahrer – oder "Velo"-Fahrer, wie man südlich des Rheins sagt – gibt es eine Besonderheit bei E-Bikes. In Deutschland gelten schnelle S-Pedelecs (bis 45 km/h) als Kleinkrafträder, brauchen ein Versicherungskennzeichen. In der Schweiz müssen diese ebenfalls ein Nummernschild (das gelbe Mofa-Schild) tragen und man muss zwingend einen Helm tragen. Zudem darf man mit diesen schnellen E-Bikes in der Schweiz oft nicht auf Radwegen fahren, wenn das Mofa-Symbol es nicht explizit erlaubt, was zu gefährlichen Situationen auf engen Landstraßen führen kann. Normale E-Bikes (bis 25 km/h) werden in der Schweiz den Fahrrädern gleichgestellt. Interessant ist hier die Promillegrenze: Während man in Deutschland auf dem Rad ab 1,6 Promille absolut fahruntüchtig ist (aber schon ab 0,3 Probleme kriegen kann), gilt in der Schweiz für Radfahrer die "Fahrfähigkeit". Wer schlangenlinien fährt, wird bestraft, eine harte Promillegrenze wie beim Auto gibt es so starr nicht, aber ab 0,5 Promille kann es bei Auffälligkeiten teuer werden.
Währung: Bares ist Wahres?
Der Euro dominiert, aber der Schweizer Franken ist stolz und eigenwillig. In den meisten grenznahen Schweizer Geschäften und Restaurants kann man zwar mit Euro bezahlen, aber der Wechselkurs ist oft, sagen wir mal, "kreativ" zu Ungunsten des Gastes. Und das Rückgeld gibt es fast immer in Franken – schwere, silberne Münzen, die einem die Hosentasche ausbeulen und die man zu Hause nie wieder loswird. Kartenzahlung ist in der Schweiz extrem verbreitet, selbst für den kleinsten Kaugummi. In Deutschland hingegen stößt man in kleineren Cafés oder Bäckereien immer noch oft auf das Schild "Nur Barzahlung" oder das missbilligende Brummen, wenn man die Karte zückt. In Österreich ist es eine Mischung aus beidem.
Es lohnt sich also, immer ein bisschen Bargeld dabei zu haben, aber für die Schweiz ist die Kredit- oder Debitkarte (idealerweise eine ohne Fremdwährungsgebühren) das Mittel der Wahl. Bankautomaten (Bancomaten) gibt es überall, aber die Gebühren für Abhebungen im Ausland können happig sein.
Zum Schluss noch ein persönlicher Eindruck: Trotz all dieser Regeln, Zäune und Währungen verbindet der See mehr, als er trennt. Die Menschen in der Region wechseln die Seiten so selbstverständlich wie ihre Hemden. Man geht "drüben" essen, tanken oder wandern. Wenn man die paar Grundregeln zu Zoll und Vignetten erst einmal verinnerlicht hat, wird das "Grenzüberschreitend unterwegs sein" weniger zum bürokratischen Hürdenlauf und mehr zu dem, was es eigentlich ist: Ein Privileg, drei Kulturen an einem einzigen Nachmittag erleben zu dürfen.