Der Name täuscht, das muss man gleich klarstellen. Fünfländerblick klingt nach geografischer Sensation, ist aber vor allem eine historische Fußnote. Heute siehst du von diesem Aussichtspunkt oberhalb von Eggersriet drei Länder: die Schweiz, Deutschland und Österreich. Doch der Name erinnert an staatliche Verhältnisse, die es längst nicht mehr gibt. Vor dem Ersten Weltkrieg hätte dein Blick tatsächlich fünf verschiedene politische Territorien gestreift – neben Österreich und der Schweiz auf deutscher Seite das Großherzogtum Baden, das Königreich Bayern und das Königreich Württemberg. Damals war Europa ein Flickenteppich von Fürstentümern, Königreichen und Herzogtümern. Der Fünfländerblick hält diese Vergangenheit im Namen lebendig, auch wenn die Grenzen längst neu gezogen wurden.
Heute steht an dieser Stelle ein Rastplatz, dessen Erhalt alles andere als selbstverständlich war. In den 1970er Jahren drohte die prächtige Aussicht durch eine Ferienhaussiedlung verbaut zu werden. Pro Natura St. Gallen-Appenzell setzte sich vehement für die Freihaltung ein und konnte 1978 mit der Grundeigentümerin einen Personaldienstbarkeitsvertrag abschließen. Dieser Vertrag garantiert bis heute, dass der Aussichtspunkt nicht überbaut werden kann und der Rastplatz für alle zugänglich bleibt. Die Fläche umfasst knapp 39.000 Quadratmeter – ein Stück geschützte Landschaft mit regionaler Bedeutung.
Lage und Anfahrt: Hoch über dem Bodensee
Eggersriet liegt am Südhang des Rorschacherbergs, etwa östlich von St. Gallen. Die Gemeinde zieht sich langgestreckt den Hang hinauf und setzt sich aus den Ortsteilen Eggersriet und dem st. gallischen Grub sowie dem Weiler Egg zusammen. Der Fünfländerblick selbst thront auf 899 Metern über Meer, was ihn zu einem idealen Aussichtspunkt macht – hoch genug für den Weitblick, aber nicht so abgelegen, dass die Anreise zur Expedition wird.
Von St. Gallen aus erreichst du Eggersriet über die Hauptstraße durchs Martinstobel. Die Straße führt weiter über das appenzellische Grub nach Heiden. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, nimmt die Postautolinie Heiden-St. Gallen-Engelburg, die im Halbstundentakt fährt. Nach 20 Uhr gibt's nur noch stündliche Verbindungen, was man bei der Tourenplanung im Hinterkopf behalten sollte. Der Startpunkt für die Wanderung liegt beim Skilift Spitze in Eggersriet, wo auch Parkplätze zur Verfügung stehen. Wer mit dem Auto kommt, kann alternativ über die Fürschwendistrasse direkt zur nahe gelegenen Wirtschaft Rossbüchel fahren – von dort sind es nur noch wenige Schritte zum Aussichtspunkt.
Die Wanderung: Sanft auf und ab mit Bodenseeblick
Vom Skilift Spitze bis zum Fünfländerblick verläuft die Wanderung größtenteils auf asphaltierter Straße. Das klingt vielleicht wenig spektakulär, hat aber den Vorteil, dass der Weg auch mit dem Kinderwagen gut zu bewältigen ist. Es geht kontinuierlich ein bisschen auf und ab, aber nie wirklich steil. Der Charme dieser Route liegt darin, dass du bereits auf einer gewissen Höhe startest und deshalb die ganze Zeit über dem Bodensee oder dem Nebelmeer zu schweben scheinst. Bei klarem Wetter wirft man zwischen den Baumwipfeln immer wieder einen Blick auf das blau schimmernde Wasser des Sees.
Die Route führt über Fürschwendi und Rossbüchel zum Fünfländerblick und zurück – eine Rundwanderung von überschaubarer Länge. Familien mit Kindern freuen sich unterwegs über die Bauernhoftiere, die entlang der Strecke zu beobachten sind. Für die Kleinen ist das oft interessanter als die Aussicht. Erwachsene hingegen lassen sich eher von der Landschaft beeindrucken, die sich bei jedem Schritt ein wenig weiter öffnet.
Wer mehr Zeit hat, kann die Wanderung bis nach Rorschach am Bodensee ausdehnen. Vom Fünfländerblick steigt man über Kolprüti hinunter zum Rorschacher Hafen – ein Abstieg, für den Wanderstöcke empfehlenswert sind. Die gesamte Tour dauert dann knapp drei Stunden und belohnt mit dem Kontrast zwischen Höhenluft und Seeufer.
Was du vom Fünfländerblick aus siehst
Die Aussicht rechtfertigt den Namen, auch wenn die politische Landkarte sich verändert hat. Der Blick schweift über den gesamten Bodensee, der an klaren Tagen wie ein riesiger Spiegel wirkt. Auf der schweizerischen Seite erkennst du Rorschach, Horn, Arbon und Romanshorn, ganz rechts im Bild liegt Altenrhein. Auf dem gegenüberliegenden deutschen Ufer sind Friedrichshafen, Langenargen, Wasserburg und Lindau zu sehen. Bei guten Sichtverhältnissen reicht der Blick bis in den Bregenzer Wald und den Alpstein. Es ist eine dieser Aussichten, bei denen man sich fragt, warum man nicht öfter hierherkommt.
An nebligen Herbsttagen zeigt sich der Fünfländerblick von seiner mystischen Seite. Dann liegt das Tal oft unter einer dichten Nebeldecke, während du oben in der Sonne stehst. Das Gefühl, über einem weißen Meer zu schweben, hat etwas Unwirkliches. Manche sagen, das sei sogar noch eindrucksvoller als die klare Fernsicht.
Wirtschaft Rossbüchel: Einkehr mit Geschichte
Nur einen Steinwurf vom Fünfländerblick entfernt liegt die Wirtschaft Rossbüchel, ein Ausflugsrestaurant mit bewegter Vergangenheit. Von 1923 bis 1972 führte die Familie Schmid das Haus. Ab 1973 nutzte die Swissair das Gebäude einige Jahre als Schulungszentrum, danach folgten verschiedene Pächter. Im November 2009 zerstörte ein Feuer das Restaurant – ein Ereignis, das noch heute in der Region im Gedächtnis ist. Der damalige Wirt stand wegen Brandstiftungsverdachts vor Gericht, wurde aber in zweiter Instanz freigesprochen.
Nach dem Brand stand das Grundstück jahrelang als Ruine da. Es gab Pläne für Luxuswohnungen, die jedoch bei vielen in der Bevölkerung auf Ablehnung stießen. Als Martin und Susanne Knechtli-Kradolfer von diesen Plänen erfuhren, kauften sie kurzerhand die Rossbüchel AG und errichteten zusammen mit dem Architekten Alex Buob aus Rorschacherberg ein neues, modernes Ausflugsrestaurant. Seit der Wiedereröffnung steht die Wirtschaft Rossbüchel mit ihrer großzügigen Terrasse für 120 Gäste wieder als beliebter Treffpunkt zur Verfügung.
Die Küche lässt sich von den "fünf Ländern" inspirieren und serviert regionale Produkte von Metzgern, Käsern und Weinlieferanten aus der Umgebung. Auf der Karte findest du sowohl klassische Gerichte wie das Badener Cordon Bleu als auch modernere Interpretationen. Die Weinkarte bietet eine schöne Auswahl aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Im Sommer ist die Terrasse mit dem Blick über den Bodensee der perfekte Ort für eine ausgedehnte Pause.
Allerdings stand die Wirtschaft Rossbüchel im Sommer 2025 vor Herausforderungen. Ende Juli kündigte der Verwaltungsrat die vorläufige Schließung an, da die Betriebsergebnisse trotz guter Frequenzen nicht zufriedenstellend waren. Das Restaurant ist stark witterungsabhängig, was wirtschaftlich schwierig ist. Die Eigentümerschaft suchte nach einer Käuferfamilie, die das Haus übernehmen und weiterführen könnte. Laut aktuellen Informationen wird das Restaurant ab Frühjahr 2026 unter neuer Führung wiedereröffnet – ein Glücksfall für alle, die hier einkehren möchten.
Ein Dorf mit Wurzeln im Mittelalter
Eggersriet selbst wurde erstmals 1260 als "Egglinsriet" erwähnt. Der Name setzt sich zusammen aus "Egg", was im Mittelalter eine Örtlichkeit bezeichnete, wo ein Höhenzug eine Wendung oder seinen Abschluss nimmt, und "Riet", das auf sumpfigen Boden nach Art kleiner Hochmoore hinweist. In alten Urkunden findet man die unterschiedlichsten Schreibweisen – von Enkersriet über Engersriet bis Nöggersriet. Die Urkundenschreiber des Mittelalters hatten es mit der Orthografie nicht so genau und schrieben die Ortsnamen nach Gehör.
Bis ins 15. Jahrhundert gehörte Eggersriet überwiegend zum bischöflichen Konstanz. 1431 erwarb die Fürstabtei St. Gallen Güter und Rechte in Eggersriet von den Herren von Rorschach, 1474 auch vom Bischof von Konstanz. Das Dorf bildete bis 1798 eine Hauptmannschaft im fürstäbtischen Gericht Rorschach und erhielt 1560 eine Hofrechts- und Einzugsordnung. In den Appenzellerkriegen im Jahr 1403 wurde Eggersriet von konstanzerischen Söldnern überfallen und niedergebrannt, weil die Bewohner den benachbarten Appenzellern zugetan waren.
Die Einwohner lebten jahrhundertelang von Landwirtschaft und den Sandsteinbrüchen in Underbilchen. Später, ab dem 19. Jahrhundert, kamen Milchwirtschaft und Heimindustrie hinzu. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein herrschten wirtschaftliche Not und Armut. 1847 brannte der Weiler Egg ab, 1861 der Weiler Dorf – Feuer waren in jenen Zeiten eine ständige Bedrohung. Der Bau der Straße St. Gallen-Martinstobel-Grub in den Jahren 1844/45 verursachte hohe Schulden, die Straße ging 1859 an den Kanton über.
Erst nach 1960 setzte ein wirtschaftlicher Aufschwung ein. In den 1970er Jahren wandelte sich Eggersriet rasant zur Wohngemeinde. Im Jahr 2000 pendelten bereits mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen zur Arbeit, vor allem nach St. Gallen. Die gute Verkehrsanbindung durch die ausgebaute Straße durchs Martinstobel machte Eggersriet attraktiv für alle, die im Grünen wohnen, aber in der Stadt arbeiten wollen.
Praktische Hinweise für deinen Besuch
Der Fünfländerblick ist das ganze Jahr über zugänglich. Die beste Zeit für einen Besuch sind die Monate von Frühling bis Herbst, wenn die Vegetation üppig ist und die Temperaturen angenehm sind. Im Winter kann es allerdings auch seinen Reiz haben, besonders wenn Schnee liegt und die Landschaft in ein weißes Kleid gehüllt ist. Dann ist es allerdings oft windig und kalt auf dem exponierten Aussichtspunkt – warme Kleidung ist Pflicht.
Die Wanderung vom Skilift Spitze zum Fünfländerblick ist gut ausgeschildert und dauert je nach Tempo zwischen einer und eineinhalb Stunden für die Hin- und Rücktour. Da der Weg asphaltiert ist, eignet er sich auch für ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern. Wer lieber ohne große Anstrengung zum Aussichtspunkt möchte, kann mit dem Auto bis zur Wirtschaft Rossbüchel fahren und von dort aus in wenigen Minuten zu Fuß zum Fünfländerblick gehen.
Für die Verpflegung unterwegs empfiehlt es sich, etwas im Rucksack mitzunehmen. Die Wirtschaft Rossbüchel bietet zwar Einkehrmöglichkeiten, aber falls sie geschlossen sein sollte oder du lieber ein Picknick mit Aussicht bevorzugst, ist Proviant keine schlechte Idee. Am Fünfländerblick selbst gibt es Bänke und einen Rastplatz, wo du in Ruhe die Aussicht genießen kannst.