Die Mettnau ist, geologisch betrachtet, ein Überbleibsel. Was die Gletscher der letzten Eiszeit als Moränenrücken hinterließen, wurde durch Sedimentablagerungen – hauptsächlich Bändertone – zu dem, was heute zwischen Markelfinger Winkel und Zeller See ins Wasser ragt. Mit 180 Hektar Fläche bei knapp 800 Metern Breite wirkt die Halbinsel wie ein ausgestreckter Zeigefinger, der Radolfzell mit dem Untersee verbindet. Die Form ist unspektakulär, aber genau diese Kompaktheit macht sie so besonders: Auf kleinstem Raum findest du hier nahezu alle typischen Bodensee-Lebensräume versammelt.
Wenn du vom Radolfzeller Stadtzentrum aus auf die Mettnau läufst – was in gut zehn Minuten zu schaffen ist –, merkst du zuerst gar nicht, dass du eine Halbinsel betrittst. Kurpark, Klinikgebäude, gepflegte Wege. Erst weiter hinten, wo der Floericke-Weg beginnt, kippt die Kulisse. Schilf wuchert, Auwald schließt sich um dich herum, und plötzlich riecht es nach feuchter Erde und See.
Eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands
Schon 1926 wurde die Mettnau unter Schutz gestellt – auf Initiative von Otto Blesch, dem damaligen Radolfzeller Bürgermeister. Damit gehört das Naturschutzgebiet zu den ersten seiner Art in Deutschland. Damals umfasste es nur einen Bruchteil der heutigen Fläche, erst 1984 wurde es auf 140 Hektar erweitert. Betreut wird es heute vom NABU im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg.
Interessanterweise entstand das wichtigste Bruthabitat der Halbinsel durch puren Zufall: Bei Aufschüttungsarbeiten bildete sich ein kleiner Teich, der – weil von den Wasserschwankungen des Bodensees unabhängig – für Entenarten einen idealen Nistplatz bietet. Gleichzeitig liegt er nah genug an den nährstoffreichen Flachwasserzonen des Markelfinger Winkels, sodass die frisch geschlüpften Küken ausreichend Futter finden. So entwickelte sich die Mettnau neben dem Wollmatinger Ried bei Konstanz zum regional bedeutendsten Wasservogel-Brutgebiet.
Sperrzone für Menschen – Kinderstube für Vögel
Was viele Besucher überrascht: Von Mitte April bis Ende August ist die äußerste Spitze der Halbinsel – die sogenannte Mettnauspitze – für Wanderer gesperrt. Der NABU schließt das Tor hinter dem Mettnau-Turm, damit Schwarzhalstaucher, Zwergtaucher, Haubentaucher, Kolbenente und Co. in Ruhe brüten können. Insgesamt wurden zwischen 1982 und 2002 rund 90 Brutvogelarten auf der Mettnau nachgewiesen. Darunter auch seltenere Kandidaten wie Drosselrohrsänger, Wasserralle oder Zwergdommel.
Für Ornithologen ist das ein gefundenes Fressen. Das NABU-Bodenseezentrum bietet regelmäßig Führungen an – etwa an jedem dritten Sonntag von April bis August. Treffpunkt ist der NABU-Infopavillon an der Strandbadstraße. Die Touren kosten 8 Euro für Erwachsene, 4 Euro für Kinder. Wer ernsthaft an der Vogelwelt interessiert ist, sollte sich vorab anmelden, die Plätze sind begehrt.
Der Floericke-Weg – benannt nach einem Naturfreund
Der Hauptweg durch das Naturschutzgebiet trägt den Namen eines Mannes, der heute kaum noch jemand kennt: Kurt Floericke (1869–1934), Naturwissenschaftler und Popularisierer der heimischen Flora und Fauna. Der nach ihm benannte Weg führt vom vorderen Kurbereich über knapp zwei Kilometer bis zum Mettnau-Turm. Links und rechts des Pfads wechseln sich Pfeifengraswiesen, Steifseggenriede und schmale Auenwälder ab. Am Ufer wachsen Schilfbestände, stellenweise auch der gefährdete Sumpfkreiskraut und – botanische Besonderheit – Strandrasen mit Strandling, einer Pflanze, die man sonst kaum noch findet.
Der Weg selbst ist gut begehbar, allerdings nicht asphaltiert. Bei Hochwasser kann es matschig werden, festes Schuhwerk ist keine schlechte Idee. Außerdem: Mücken. Im Sommer ziemlich viele davon.
Der Mettnau-Turm – Aussichtspunkt mit Geschichte
Am Ende des Floericke-Wegs steht ein 18 Meter hoher Holzturm. Gebaut wurde er 1938 als Vogelbeobachtungswarte, zunächst unter dem Namen „Dr.-Ludwig-Finckh-Turm". Finckh, ein Schriftsteller aus Gaienhofen, war ab 1933 NSDAP-Mitglied und ab 1935 Propagandaleiter – Grund genug, dass die Stadt Radolfzell den Turm nach 1945 umbenannte. Trotzdem wurde noch 1976 eine unkritische Gedenktafel für Finckh angebracht. Mittlerweile ist das Thema aufgearbeitet, der Turm heißt offiziell „Mettnau-Turm", und die meisten Einheimischen verwenden diesen Namen auch.
Von oben hast du eine grandiose Rundumsicht: Im Norden der Markelfinger Winkel, im Süden Zeller See und Gnadensee, dahinter die Insel Reichenau und bei gutem Wetter die Schweizer Alpen mit dem Säntis. Der Turm selbst ist aus Holz, was bedeutet: Er knarzt. Manche Stufen sind etwas ausgetreten, die Konstruktion schwankt leicht. Nichts für Leute mit Höhenangst, aber durchaus ein authentisches Erlebnis. Renovierungsbedarf besteht durchaus, wie diverse Tripadvisor-Rezensionen bestätigen.
Scheffels Schlösschen und die Villa Seehalde
Auf der vorderen Hälfte der Mettnau – dort, wo heute das Kurgebiet liegt – steht das sogenannte Scheffelschlösschen, ein zweigeschossiger Bau mit markant aufgesetztem Eckturm. Joseph Victor von Scheffel, der Dichter von „Alt-Heidelberg, du feine" und weiteren Studentenliedern, verbrachte ab 1869 seine Sommer auf der Mettnau. Nach seiner Erhebung in den Adelsstand kaufte er 1876 das gesamte Gut Mettnau und ließ das ehemalige Rebgut-Pächterhaus zum Schloss umbauen. Architekt war Karl von Großheim, einer der erfolgreichsten seiner Zeit.
Scheffel war damals eine Art Popstar der Literatur – seine Bücher erreichten Auflagen, von denen heutige Autoren nur träumen können. Der „Trompeter von Säckingen" kam allein bis 1927 auf 334 Auflagen. Dass er ab 1872 schwer erkrankte und sich zunehmend zurückzog, tat seinem Ruhm keinen Abbruch. Er starb 1886 in Karlsruhe. Auf der Mettnauspitze steht ein ihm gewidmetes Denkmal, das allerdings nicht öffentlich zugänglich ist – es liegt im gesperrten Bereich.
Heute ist das Scheffelschlösschen Sitz der Kurverwaltung. Von 1928 bis 1966 befand sich hier ein Scheffel-Museum, mittlerweile sind die Räumlichkeiten nur auf Anfrage zu besichtigen. Die Villa Seehalde, Scheffels erstes Gebäude auf der Mettnau, existiert ebenfalls noch.
Mettnau-Kur – „Heilung durch Bewegung"
Die andere Hälfte der Halbinsel gehört der Rehabilitation. Die Mettnau-Kur ist eines der traditionsreichsten Zentren für Bewegungstherapie in Deutschland, mit Schwerpunkt auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Werner-Messmer-Klinik und weitere Einrichtungen liegen eingebettet in großzügige Parkanlagen. Das Konzept ist schlicht: Ruhe, Natur, Bewegung. Keine spektakulären Wellness-Tempel, sondern klassische Kur im besten Sinne.
Für Besucher bedeutet das: Die Mettnau ist ruhig. Selbst im Hochsommer geht es hier gesitteter zu als an den üblichen Bodensee-Hotspots. Die Parks sind frei zugänglich, und wer mag, kann auf den Bänken am Ufer sitzen und Booten beim Vorbeigleiten zusehen.
Strandbad, Schiffsanleger und die Liebesinsel
Das Strandbad Mettnau liegt an der Südseite der Halbinsel und bietet Liegewiesen mit Blick auf den Untersee. Besonders für Familien ist es eine gute Alternative zu den oft überlaufenen Stränden rund um Konstanz. Der Eintritt ist moderat, und es gibt einen kostenlosen Strandrollstuhl, der Menschen mit Behinderung den Zugang zum Wasser ermöglicht.
Direkt unterhalb des Scheffelschlösschens liegt der Schiffsanleger Mettnau, der von den Bodensee-Schiffsbetrieben angefahren wird. Von hier aus hast du einen schönen Blick auf die Liebesinsel – eine winzige, südlich vorgelagerte Insel, die ebenfalls zum Naturschutzgebiet gehört. Betreten ist sie nicht erlaubt, aber das hindert Pärchen offenbar nicht daran, ihr kitschige Namen zu verpassen.
Praktisches: Anfahrt, Parken, beste Reisezeit
Mit dem Auto fährst du von Radolfzell aus in Richtung Mettnau, Parken ist am Strandbad-Parkplatz möglich – aktuell kostenfrei, aber das kann sich ändern. Alternativ nimmst du vom Bahnhof Radolfzell den Bus oder läufst einfach, die Strecke ist kurz. Auch per Schiff ist die Mettnau erreichbar, der Anleger liegt zentral.
Die beste Zeit für einen Besuch hängt davon ab, was du suchst. Von September bis März ist die gesamte Halbinsel begehbar, inklusive Mettnauspitze. Ideal für ausgedehnte Wanderungen. Im Sommer ist zwar die Spitze gesperrt, dafür kannst du aber schwimmen, und die Vegetation steht in vollem Saft. Vogelbeobachter sollten im Frühjahr kommen, wenn die Brutsaison beginnt.
Für die gesamte Mettnau brauchst du etwa eine Stunde Gehzeit, je nachdem, wie oft du stehen bleibst. Der Turm ist ganzjährig zugänglich. Wer den Life-Pfad Untersee laufen möchte – ein Lehrpfad, der von der Mettnau bis zum Naturfreundehaus in Markelfingen führt –, sollte etwa drei Stunden einplanen.
Lohnt sich das?
Kommt drauf an. Wenn du auf Action aus bist, wirst du enttäuscht sein. Die Kombination aus Kulturgeschichte, Naturschutz und Kurpark-Atmosphäre macht sie aber zu einem lohnenden Ausflug, vor allem, wenn du ohnehin in Radolfzell bist. Der Mettnau-Turm allein rechtfertigt den Weg schon, auch wenn er etwas wackelig ist. Und wer sich für Vogelkunde interessiert, findet hier ein Kleinod, das man so am Bodensee nicht oft antrifft.
Ein Tipp zum Schluss: Nimm ein Fernglas mit. Und Mückenschutz.